Johann Philipp Glökler: Land und Leute Württembergs, Band 3 | |
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Kaum ist die „Kirche beendigt“, so versammelt sich die Gesammtschülerschaft mit ihren Lehrern und mit den städtischen Behörden vor dem Lyceum. Unter eigenen, zu diesem Feste gedichteten Gesängen zieht das ganze Volk zuerst durch mehrere Straßen der Stadt und dann hinaus auf den Festplatz, die Kuppelnau. Die ganze Versammlung stimmt – begleitet von brillanter Musik – in das Lied ein: „Heil unsrem König, Heil!“. Die Kinder werden mit Wecken beschenkt und dann nach Hause entlassen. Man kommt gerade recht zum Festschmause. – Der Nachmittag sammelt um halb zwei Uhr wieder sämmtliche Schüler und ihre Lehrer, auch die geistlichen und weltlichen Beamten und die meisten Frauen und Jungfrauen in schönstem Schmucke beim Lyceum. Die Musik fehlt ebenfalls nichts. Diese voraus, zieht man wieder auf die Kuppelnau. Alles stellt sich in nette Ordnung. Es wird auf einmal ganz stille. Die Festrede beginnt. Mit gespannter Aufmerksamkeit folgt ihr Jung und Alt. Sogar die flatterhaften und stets zerstreuten Schüler sind diesmal ganz Ohr. Aber nicht zu lang darf der Redner die Aufmerksamkeit fesseln. Eine andere Freude harrt noch der Jugend. Es werden die Preise vertheilt an die tüchtigsten Knaben und Mädchen. In erster Reihe kommen die Lyceal- und dann die Realschüler; ihnen folgen die Schüler der Volksschulklassen, welche die Preise in Empfang nehmen. Wie sie strahlen, die Augen der Preisträger! Sie sind die Glücklichsten unter den Glücklichen. Aber auch Thränen und traurige Mienen lassen sich – trotz des festlichen Tages – wahrnehmen. Doch ist der Schmerz über getäuschte Hoffnungen jählings verweht; der Strudel der Freude verschlingt ihn nach wenigen Augenblicken.
Johann Philipp Glökler: Land und Leute Württembergs, Band 3. Stuttgart: C. Cammerer, 1863, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gloekler_Land_und_Leute_Bd3.djvu/409&oldid=- (Version vom 1.8.2018)