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Administrator Christian Wilhelm ward mit drey Bürgermeistern nach vielen empfangenen Wunden gefangen; viele tapfere Offiziere und Magistrate hatten fechtend einen beneideten Tod gefunden. Vier hundert der reichsten Bürger entriß die Habsucht der Offiziere dem Tod, um ein theures Lösegeld von ihnen zu erpressen. Noch dazu waren es meistens Offiziere der Ligue, welche diese Menschlichkeit zeigten, und die blinde Mordbegier der kaiserlichen Soldaten ließ sie als rettende Engel betrachten.

Kaum hatte sich die Wuth des Brandes gemindert, als die kaiserlichen Schaaren mit erneuertem Hunger zurück kehrten, um unter Schutt und Asche ihren Raub aufzuwühlen. Manche erstickte der Dampf; viele machten große Beute, da die Bürger ihr Bestes in die Keller geflüchtet hatten. Am 13ten May erschien endlich Tilly selbst in der Stadt, nachdem die Hauptstraßen von Schutt und Leichen gereinigt waren. Schauderhaft gräßlich, empörend war die Scene, welche sich jezt der Menschlichkeit darstellte! Lebende, die unter den Leichen hervor krochen, herum irrende Kinder, die mit herzzerschneidendem Geschrey ihre Eltern suchten, Säuglinge, die an den todten Brüsten ihrer Mütter saugten! Mehr als 6000 Leichen mußte man in die Elbe werfen, um die Gassen zu räumen; eine ungleich größere Menge von Lebenden und Leichen hatte das Feuer verzehrt; die ganze Zahl der Getödteten wird auf 30,000 angegeben.

Der Einzug des Generals, welcher am 14ten erfolgte, machte der Plünderung ein Ende, und was bis dahin gerettet war, blieb leben. Gegen 1000 Menschen wurden aus der Domkirche gezogen, wo sie drey Tage und zwey Nächte in beständiger Todesfurcht und ohne Nahrung zugebracht hatten. Tilly ließ ihnen Pardon ankündigen, und Brod unter sie vertheilen. Den Tag darauf ward in dieser

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Friedrich Schiller: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. , Frankfurt und Leipzig 1792, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_drey%C3%9Figj%C3%A4hrigen_Kriegs_201.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)