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nur Feind der That – und nicht der Person seyn solle. Man kann solche Menschen fliehen, aber nicht hassen und verfolgen. Man muss den ganzen Menschen aus seinem Charakter, nicht aber aus einer einzigen Handlung – nicht aus dem blossen Verhältniss zu uns, entscheiden wollen.

22. Um zu sehen, ob die Candidaten das bisher gesagte leisten, ob sie ihre Erkenntnisse erweitern – Vorurtheile ablegen und bestreiten – ihren moralischen Charakter vervollkommen; mit einem Wort: ob sie würdige Mitglieder werden wollen: so fordert der Orden Proben der Treue, Verschwiegenheit und Arbeitsamkeit, Anhänglichkeit und des Gehorsams von ihnen.

23. Daher hat auch der Orden eine gewisse Zeit gesetzet, welche die Candidaten in dieser Prüfung zubringen müssen: Junge Leute haben 3 Jahre, andere zwey, und andere nur ein Jahr Probezeit. Es kommt auf den Fleiss, Maturität, Eifer und Anwendung an, um sich selbst nach seinem Verhalten und Mitwirken, diese Prüfungszeit entweder zu verlängern oder zu verkürzen.

24. Während dieser Zeit liest der Candidat die vorgeschriebene Bücher; arbeitet an der Erforschung seiner Nebenmenschen; zeichnet alles fleissig auf; notiert auf eine gewisse eigene Art, und suchet das gelesene gut zu verdauen, und auf seine eigene Art wieder von sich zu geben.

25. Viele Notaten, Anmerkungen, viele entworfene Charakters, aufgezeichnete Gespräche von Leuten, welche man die Sprache der Leidenschaften redend angetroffen; so wie auch die Erfüllung der Ordensstatuten und Folgsamkeit gegen die Obern sind die sichersten Wege zur Beförderung.

26. Unter den Beobachtungen haben physiognomische Bemerkungen, gefundene Regeln, menschliche Charaktere zu beurtheilen ein grosses Verdienst. Vorzüglich empfiehlt man aber, die Gegenstände nicht auf fremde sondern auf eigene Art zu betrachten.

27. Nebst der ganzen praktischen Philosophie beschäftigt sich der Orden mit der Natur und Naturkunde; mit Cameral- und Oekonomie-Wesen; mit den Freyen Künsten, schönen Wissenschaften und Sprachen.

28. Bey seiner Aufnahme erkläret der Candidat, zu welcher Kunst oder Wissenschaft er sich bekennen wolle. Die dahin einschlagende Bücher muss er sich bekannt machen, gehörige

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Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_101.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)