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der frankfurter Rat dem Verlangen Kursachsens ohne weiteres, und Clemens Schleichs Erben – er selbst war während der Untersuchung im August 1638 in Leipzig an der Wassersucht gestorben – fügten sich um so bereitwilliger, als sie nur durch solche Fügsamkeit einen schwerern Vermögensverlust abzuwenden vermochten. Infolge der anbefohlenen Konfiskation ist von der ersten Ausgabe (später erschienen noch fünf von 1662 bis 1733) fast kein Exemplar mehr aufzufinden.[1]

Schließlich noch ein Beispiel für das Verfahren der orthodox-lutherischen Censoren. Im Jahre 1697 hatte der kopenhagener Buchhändler Erythropilus Auftrag gegeben, in Leipzig eine neue Auflage der aus dem Englischen übersetzten Predigten und Schriften Thomas Watsons zu drucken. Der Dekan der theologischen Fakultät, Dr. Alberti, zugleich Mitglied der Bücherkommission, lehnte die Censur ab, da ihm nicht zugemutet werden könne, ein Calvinisch Buch zu censieren. Die Buchdrucker beschwerten sich bei dem Rate: das Werk sei schon mehrmals in Sachsen gedruckt, öffentlich verkauft und nie verboten worden; auf solche Art würde ihnen die Arbeit für fremde Buchhändler entzogen. Auf eine Eingabe des Rats entschied diesmal das Oberkonsistorium doch – der Übergang zu einer mildern Praxis war schon eingetreten –, daß Alberti das Werk censieren, etwaige bedenkliche Stellen und solche contra orthodoxiam streichen und dann den Druck verstatten solle.[2] Jenes Verhalten Alberti’s war jedoch kein ausnahmsweises oder vereinzeltes; im Gegenteil, es entsprang der Methode der theologischen Fakultät, auf diese Weise das Erscheinen eines jedweden ihrer dogmatischen Stellung nicht entsprechenden Werks in Leipzig zu verhindern. Denn da Leipzig als Verlagsort nur auf solche Werke gesetzt werden durfte, welche daselbst die Censur passiert hatten, so war mit der Verweigerung der Censur nicht nur der Druck, sondern auch das Erscheinen nicht orthodox-lutherischer Werke unterdrückt. Aus diesem Mißbrauch des Censurrechts, nicht aus der Bedeutung Frankfurts als Meßplatz, erklärt es sich denn auch, daß um die Wende des 17. Jahrhunderts so manche bedeutende theologische Werke zwar mit der Firma leipziger Buchhändler, aber mit der alleinigen Bezeichnung Frankfurts als Verlagsort erschienen. Beispiele hierfür bieten die Firma Johann Friedrich Gleditsch, und namentlich Thomas Fritsch. Letzterer ließ z. B. die Kirchen- und Ketzerhistorie Gottfried Arnolds und andere Werke desselben Verfassers in dieser Weise


Fußnoten

  1. (Günther, C. F.,) Commentatio de fatis libelli Carpzoviani, cui inscribitur: Peinlicher Inquisitions- und Achtsprozeß caet. Leipzig 1859. (Programm.)
  2. Archiv IX, 142 fg.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 605. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_09.djvu/084&oldid=- (Version vom 1.8.2018)