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Neuen Testaments aber, die der Herzog 1527 selbst durch Emser herausgeben ließ, um der Welt zu beweisen, daß er nicht, wie Luther ihm vorwarf, wider das Evangelium und das Wort Gottes sei, erwies sich, abgesehen von einigen Verschlechterungen, als eine Kopie der Lutherschen, sodaß nun diese unter Emsers Namen von Obrigkeits wegen in die Hände der Laien kam.

Wenn nun auch Herzog Georg die Bestimmungen des Wormser Edikts streng und unerbittlich handhabte, die der spätern Reichsordnungen, besonders gegen die Sektierer, wiederholt energisch einschärfte – wie gezeigt selbst mit Nichtachtung der materiellen Interessen seines Landes, denn der aufstrebende Buchhandel Leipzigs, die rasch emporblühende leipziger Büchermesse wurden unter seiner Regierung fast dem Untergange zugeführt –, so hat doch unverdienterweise drei Jahrhunderte hindurch der Makel auf ihm gelastet: es habe ihn diese Härte in Glaubenssachen selbst zum Blutvergießen getrieben, er habe den nürnberger Buchführer Johann Herrgott im Jahre 1524 (richtiger 1527) wegen des Vertriebs Lutherscher Schriften in Leipzig hinrichten lassen. Neuere Forschungen haben mit Sicherheit festgestellt[1], daß Herrgott nicht ein Märtyrer der kirchlichen Bewegung war, sondern als agrarisch-sozialistischer Agitator, als ein Epigone der Führer im Bauernkriege mit dem Leben büßte. Das Nähere darüber ist bereits im siebenten Kapitel gebracht worden.

In Wittenberg dagegen, in der Residenz des damals kurfürstlichen Theils von Sachsen, veröffentlichte Luther alle seine Schriften, selbst die heftigsten, ungehindert von jeder Censur, höchstens, daß ihn gelegentlich freundliche Bitten des Kurfürsten zur Mäßigung mahnten, wenn seine urkräftige Ausdrucksweise selbst fürstlicher Personen nicht schonte. In censur-, richtiger in preßpolizeilichen Angelegenheiten entschied eben zur Zeit noch nicht das klar formulierte Gesetz, sondern lediglich das Belieben des jeweiligen Landesherrn oder Machthabers. Erst nach Georgs Tode, infolge dessen sich auch Leipzig ganz ungehindert der lutherischen Lehre zuwenden konnte, ihr zum Teil sogar etwas gewaltsam zugeführt wurde, zeigen sich unter Herzog Heinrich und unter den spätern Kurfürsten Moritz (1542 bis 1553) und August (1553 bis 1580) die Anfänge einer rechtlichen Ordnung dieser Verhältnisse, zunächst durch gelegentliche Mandate, erst seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Anlehnung an die Reichsordnungen in Gesetzesform.


Fußnoten

  1. Kirchhoff, A., Johann Herrgott, Buchführer von Nürnberg, und sein tragisches Ende 1527. Im Archiv I, 15–55.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 594. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_09.djvu/073&oldid=- (Version vom 1.8.2018)