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steuern. Die Missethäter wurden wohl in den Thurm gesetzt, in den Bock gespannt oder an den Pranger gestellt; allein selbst diese harten Strafen konnten den rohen Hang im Volke nicht ausrotten, der erst allmählich unter besser erzogenen und gebildeten Geschlechtern in Vergessenheit geriet.

Nicht anders war es im öffentlichen Leben. Der gewaltige, durch die Reformation hervorgerufene Kampf hatte die Leidenschaften in Kirche und Staat entfesselt und mußte austoben. Seine Niederlage durch die Waffen feuerte ihn zu verdoppelten Anstrengungen auf geistigem Gebiete an. Haß, Zorn und Verachtung erzeugten Schmähung, Spott und Hohn, die sich, dem Charakter der Zeit entsprechend, meist in rohen Kraftausdrücken Luft machen. „In erster Linie wurden der Papst, der römische Hof und die höhere Geistlichkeit in Pasquillen, Spottliedern und Schmähschriften, bald mit Witz und satirischer Laune, bald mit bitterstem Zorn und tiefstem Ingrimm oder mit einer Verachtung, welche dem Innersten der Seele entquoll, in ihrer sittlichen Entartung ihrer Geldgier, Herrschsucht, Unzucht, Unmäßigkeit und überhaupt in ihrer ganzen Unsauberkeit im Denken und Handeln, Wollen und Streben dem Volke zur Schau gestellt. Auf sie entlud sich in solchen Schriften im vollsten Maße alles, was nur irgendeine Seele, glühend von Haß und Erbitterung, unversöhnlicher Feindschaft und tiefster Verachtung irgendwie auszusprechen vermag, gleich als hätte sich dies alles jahrhundertelang durch Bann und Interdikt, durch Scheiterhaufen und Kerker niedergehalten und zurückgedrängt, im vollsten Maße sammeln sollen, um mit einem mal sich über Rom und seine Priesterschaft wie im wildesten Strome zu ergießen“. Nächst Rom war der Kaiser Karl V. selbst, von seinem ersten Auftreten im Reiche an, den steten Angriffen der Spott- und Schmachschriften ausgesetzt. Jede seiner Maßregeln wurde von seinen Gegnern der rücksichtslosesten Kritik und häufig auch ungerechter Verdächtigung unterzogen. Das Wormser Edikt, seine Versuche zur Beilegung der religiösen Streitigkeiten, namentlich das Interim und seine unwürdige Behandlung der gefangenen protestantischen Fürsten, vor allem aber seine Begünstigung der Spanier und fremden Völker bildeten den Gegenstand zahlloser überall und zu jeder Zeit wiederkehrender Anklagen und Schmähungen. Der Kaiser nahm offenbar einen sehr bedeutenden Einfluß dieser Schmähschriften auf die Meinung und Stimmung des Volks wahr und suchte sie deshalb auch mit Nachdruck und Strenge zu unterdrücken.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 542. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_09.djvu/021&oldid=- (Version vom 1.8.2018)