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überboten haben, als in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und zwar im öffentlichen Leben noch mehr, als im privaten. Die Menschen waren damals naturwüchsiger, derber und roher als heutzutage. Unmut, Haß und Verachtung machten sich darum auch viel eher in Schimpfen und Schmähen Luft. Würdige, ernste Männer vom höchsten persönlichen Ansehen und sittlichen Gehalt, wie z. B. Reuchlin und Luther, hatten in dem Stil der päpstlichen Kurie ein so gutes Vorbild gehabt, daß sie, nach dem heutigen litterarischen Geschmack gemessen, oft geradezu pöbelhaft schrieben. Wie sehr das Schimpfen – und hier zunächst die private Seite der Frage zu beleuchten – dem deutschen Volke eine Herzenserleichterung und ein Bedürfnis war, beweist die aus dem Mittelalter stammende und bis in die neueste Zeit noch in einigen Schweizerkantonen rechtskräftige Bestimmung, wonach es dem in einem Prozeß Unterliegenden gesetzlich gestattet war, volle 24 Stunden lang nach Verkündigung des Urteils nach Herzenslust auf das Gericht zu schimpfen. Der Gläubiger zwang häufig seine Schuldner dazu, daß sie sich in Falle der Nichterfüllung ihrer Verbindlichkeit gefallen ließen, von ihm durch Verbreitung von Schmähschriften und Spottbildern angegriffen und verfolgt zu werden. Der schlimme Brauch war so fest gewurzelt, daß sich selbst die Behörden dagegen wenden mußten. So verfügt der §. 7 des 35. Titels der reformierten Reichs-Polizeiordnung von 1577: „Wenn Wir auch berichtet worden sind, daß in etlichen Landen dieser Brauch oder vielmehr Mißbrauch eingerissen, da dem Gläubiger auf sein Angesinnen von seinem Schuldner oder Bürgen nicht bezahlt wird, daß er derentwegen dieselbigen mit schändlichen Gemählds und Brieffen öffentlich anschlagen, schelten, beschreien und berufen lässet. Dieweil aber gantz ärgerlich, auch viel Zankes und Böses verursacht, darumb es ja in keinem Gebiet, darinnen Recht und Billigkeit administriert werden kann, zu verstatten; so wollen Wir dasselbig anschlagen, auch solcher Gedung und Pacta den Verschreibungen einzuverleiben, hiermit gäntzlich verbotten und aufgehoben, auch allen und jeden Obrigkeiten in ihrem Gebiet mit ernstlicher Straff gegen denjenigen, so noch des Anschlagens sich gebrauchen würde, zu verfahren befohlen haben.“ Selbst der Kirchenbann, wie er z. B. noch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Straßburg von der Kanzel herab gegen die Übertreter des Verbots verkündigt wurde, vermochte dem allgemein verbreiteten Übel nur in vereinzelten Fällen zu

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Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 541. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_09.djvu/020&oldid=- (Version vom 1.8.2018)