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Plebans Peter Meyer gegen Thomas Anshelm im Jahre 1518 beweist, daß wenigstens der Versuch gemacht wurde, diese Verordnung thatsächlich durchzuführen.

Aber alle diese Drohungen halfen in Deutschland nichts, ja, statt die Bewegung der Geister einzuschüchtern, fachten sie dieselbe nur um so mehr an. Als gäbe es gar keinen Papst und keine kirchlichen Würdenträger, entwickelte sich gerade damals eine täglich herausfordernder auftretende Flugschriftenlitteratur, welche das ganze Volk in den Kampf gegen Rom auf die Seite Luthers, des Führers der Opposition, zog. Der Tetzelsche Ablaßskandal machte die Stimmung gegen den Papst nur noch schlimmer. Das deutsche Volk jubelte in seiner großen Mehrzahl dem kühnen Reformator begeistert zu. Die Bannbullen wurden verlacht und hoben nur den Mut seiner Anhänger, statt ihn zu beugen; die zweite, vom 3. Januar 1521, in welcher Luther und seine Anhänger als räudiges Vieh bezeichnet und als Ketzer verflucht wurden, ward sogar öffentlich verspottet und Luther täglich mehr der Held des Volks. Zahllose Flugblätter, aus heimlichen Druckereien hervorgegangen, fanden ungestörte Verbreitung. Keine kirchliche Behörde vermochte gegen die revolutionären Erzeugnisse des in seinem innersten Wesen verletzten und erregten Volksgeistes einzuschreiten, denn die Hilfe der weltlichen Behörden blieb ihr zunächst noch versagt; selbst der kirchlich so treue Herzog Georg von Sachsen verhielt sich passiv und abwartend.

Dann kam im April 1521 der Reichstag von Worms. So wenig waren die Freunde Luthers eingeschüchtert, daß sie unter den Augen des Kaisers und der Reichsstände selbst eine Druckerei errichteten, deren Flugblätter den Gegner nicht schonten. Spanische Soldaten übten in Worms auf ihre Art die Censur aus. Hier nahm einer die von Hutten mit Anmerkungen versehene päpstliche Bulle einem Buchführer weg, zerriß sie und trat sie mit Füßen; dort bemächtigte sich ein Haufen spanischer Trabanten eines ganzen Ballens von Luthers Schrift über die babylonische Gefangenschaft, bis das Volk zusammenlief und die Spanier in die Flucht jagte.[1] Die Verhandlungen führten, wie bekannt, namentlich in den kirchlichen Fragen zu keinem Ergebnis. Karl V. blieb der alten Ordnung treu und hielt zum Papst, Luther widerrief nicht und ward daher in des Reiches Acht und Aberacht erklärt. Das Wormser Edikt (angeblich vom 8., in Wirklichkeit vom 26. Mai 1521) war vom päpstlichen


Fußnoten

  1. Kapp, E., II, 448.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 534. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_09.djvu/013&oldid=- (Version vom 1.8.2018)