das alte Verhältnis ändern und die kirchliche Autorität auf dem Gebiet der theologischen und profanen Wissenschaft untergraben könne – diese der heutigen Erkenntnis nahe liegende Besorgnis scheint den hohen geistlichen Würdenträgern anfangs gar nicht in den Sinn gekommen zu sein.
Der Papst hatte sein Recht der Überwachung des Schriftenwesens schon im 13. Jahrhundert einzelnen Universitäten übertragen. Letztere beaufsichtigten deshalb nicht allein die Geschäftsführung der unter ihrem Schutze thätigen Stationarii, Schreiber, Buchbinder, Pergamenter, Papierhändler und Illuminatoren, sondern auch den Inhalt der von ihnen angefertigten und an den Markt gebrachten Handschriften und bestraften nötigenfalls den Schuldigen. Die Statuen der Universität Paris beweisen, daß dort schon 1323 eine Präventivcensur bestand. Je nach der Wissenschaft, welcher ein Buch angehörte, mußte der Librarius, der ein solches abschrieb oder abschreiben ließ, es dem von der betreffenden Fakultät eingesetzten Universitätsprofessor vorlegen, der dann als Censor den Verkauft gestattete oder verbot. Der Übertretungen waren übrigens im Mittelalter nur wenige; darum urteilte die Censur auch milde und ermahnte lieber, als daß sie strafte. Große kirchliche Verbrechen aber, wie Ketzerei, konnten mittels der Presse nicht begangen werden, da eine solche überhaupt noch nicht existierte.
Natürlich wurde die Lage der Dinge durch Erfindung der Buchdruckerkunst mit einem Schlage eine andere. Abgesehen von einem vereinzelt dastehenden Fall aus dem Jahre 1475, wo Konrad Fyner in Eßlingen „Petri Nigri Tractatus contra perfidos Judaeos“ mit der ausdrücklichen Genehmigung des Bischofs von Regensburg versehen herausgab, war es in Deutschland Köln, von welchem die ersten Schritte zur Einführung der Censur ausgingen. Die dortige Hochschule übertrug zuerst die kirchlicherseits bisher gegen die Handschriften geübte Überwachung des geistigen Lebens auf die gedruckten Bücher. Dieselbe war am 21. Mai 1388 von Papst Urban IV. „zum Lobe Gottes und zur Verbreitung des wahren Glaubens“ als ein Studium generale nach dem Muster der pariser Universität gegründet worden. Als die Buchdruckerkunst sehr bald nach ihrer Erfindung festen Fuß in Köln faßte, standen hier die scholastische Philosophie und die streng katholische Theologie in vollster Blüte. Die Universität betrachtete es deshalb auch als ein Gebot der Pflicht,
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 525. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_09.djvu/004&oldid=- (Version vom 1.8.2018)