davon erhalten mögen“, – und in einer andern aus dem September 1683 nennt der Buchhändler Johann Christoph Tarnovius die damaligen Zeiten noch immer solche, „da von allen andern Handlungen leider! diese (nämlich der Buchhandel) crepiren muß, einem ehrlichen Buchhändler auszukommen unmöglich“.[1] Vierzig Jahre nach Beendigung des verheerenden Kampfes – allerdings wieder während der unglücklichen Reichskriege mit Frankreich – ein solcher Ausspruch, aber verständlich und wahr! Denn nur aus idealen Bestrebungen und aus einem, damals durch den Krieg begrabenen, frischen geistigen Leben kann der Buchhandel seine Kraft schöpfen.
Deutschland aber hatte nur das nackte Leben aus dem Schiffbruch gerettet, und entmutigt, gebrochen und verarmt war es in den Frieden eingetreten. Es war je zunächst die Stillung des Hungers, der Wiederaufbau der zerstörten Häuser, die Neubestellung der verwüsteten Felder, welche das Dichten und Trachten der Menschen auf Jahrzehnte hinaus ausschließlich in Anspruch nahmen. Wer aber seine Fenster mit einem Stück Papier oder einem alten Strumpf statt einer Glasscheibe ausflicken muß, um sich gegen Regen und Frost zu schützen, der kann nicht an die Behaglichkeit des Daseins denken. Und Bücher waren schon damals, wie noch heute, Luxusartikel, ein Luxus, dessen man sich zuerst entschlug, wenn Verluste, wenn die Sorgen und Schrecknisse der Zeit an die Thür pochten. Der Sinn für geistigen Genuß mußte unter dem Druck der Not des Lebens ersterben, – dem Buchhandel die Kraft erlahmen, dem selber dahinsiechenden litterarischen Schaffen Genüge zu leisten. Wer sollte denn auch Bücher kaufen, wenn es an Brot mangelte? Höchstens Gebet- und Erbauungsbücher; nur in ihnen suchte und fand das fast verzweifelnde Gemüt gläubiges Vertrauen und Hoffnung auf eine bessere Zeit, Stärke zum Ausharren in der leiblichen Not der Gegenwart. Diese Produktion blühte also allenfalls fort in Nürnberg, Leipzig, fand eine neue fruchtbare Pflegestätte in dem sonst unbedeutenden Lüneburg.[2] Fast die ganze zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts verging mit jener täglichen Sorge für des Leibes Notdurft. Und doch hatte selbst der materielle Jammer dieser trostloser Zeit den deutschen Buchhandel nicht ganz zu brechen vermocht. Seine Kraft wurzelte zu fest im eigentlichen Geiste der Nation, der im Protestantismus seinen Ausdruck fand, sein Ansehen im Auslande stand zu hoch, seine Verbindungen mit der europäischen Gelehrtenwelt
Fußnoten
- ↑ Archiv IX, 171. 96.
- ↑ Die Gebrüder Johann und Heinrich Stern in Lüneburg sagen in einer Eingabe an den Herzog von Braunschweig vom 29. Juli 1637, daß sie sich „alß ehrliche handelsleuthe, ohne Ruhm, Gott zu ehren, vndt dem Evangelischen wesen zu dienst, der Kunst Drückerey befließen“, und in einer frühern vom 16. Februar 1630: „Weiln nun gleichwol einmahl gewiß, das wir, ohne vppigen rhumb zumelden, alle vnser vermögen auff die Buchtrückerei gewandt, alles auff guet Papir, in bequemer form, gar correct, mit offt vmbgegoßen, vnd verenderten scharffen Typis, zu Mennigliches satisfaction, leserlich, vnd schön trücken laßen, auch darbei mit vngeziemender vnChristlicher vbersetzung vnsers negsten, vnsere vnuerandtworttliche zugenge nicht, sondern vielmehr aus Christlicher Deuotion, vnd liebe der Kirchen, Schulen, vnd des gantzen Euangelischen wesens nutz, vnd frommen gesuchet, vnd, vnserm schlechten, geringen vermögen nach, vortgestellet, Inmaßen wir dan solche vnsere Christliche jntention, noch vmb so viel desto mehr öffentlich zu contestiren, die vnß biß anhero häuffig angestalte Politische Bücher, die vnß sönsten, gleichsamb vnter den henden, wol hetten wegkgerißen, vnd wir vnß dadurch innerhalb kurtzer Zeitt nicht weniger alß andere gethan, mit ehren, vnd guetem titull, bereichen können.“ (Archiv VIII, 68.)
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 492. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_08.djvu/045&oldid=- (Version vom 1.8.2018)