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und dogmatischen Streitigkeiten vermochten niemand mehr zu erwärmen und ließen die Massen kalt, während sich das Volk dem fürstlichen Kirchenregiment mit passivem Gehorsam fügte. Nach der Niederlage versiegen auch die Quellen der Begeisterung, des Witzes, der Laune und Satire; in der Gefangenschaft singt man nicht. Die Volksschriftenlitteratur erlischt deshalb auch nach dem Bauernkriege, die Polemik der Gegner aber wird einseitiger, persönlicher, gereizter und zuletzt auch bei täglich zunehmender Inhaltlosigkeit ziemlich gleichgültig.

Der Geist der Bewegung war aber doch von Anfang an ein zu gewaltiger, als daß er in lahme Klopffechterei der Theologen hätte verlaufen können. Eine religiöse oder politische Richtung kann und muß sich allerdings erschöpfen, und das vielleicht um so eher, je stürmischer sie anfangs aufgetreten ist; allein eine große sittliche und geistige Umwälzung, welche, wie die Reformation, das ganze Volk ergreift und durchzittert, durchdringt auf Jahrhunderte hinaus mit reinigender und neubelebender Kraft aller Klassen der Bevölkerung, alle Gebiete des wirtschaftlichen und öffentlichen, des sittlichen und geistigen Lebens.

Das bedeutendste dieser Gebiete ist die Erziehung und der Unterricht. Die deutsche Volksschule zunächst ist das Kind der Reformation und bewegt sich ein volles Vierteljahrtausend in den von dieser vorgezeichneten Bahnen. An ihrer Wiege stand ein geistig hervorragender Gelehrter, Valentin Ickelsamer aus der Nähe von Rothenburg a. T., dessen Geburts- und Sterbejahr völlig vergessen sind. Er hat die erste deutsche Grammatik nicht etwa geistlos den lateinischen Schulbüchern jener Zeit nachgebildet, sondern auf Grundlage der lateinischen frei aufbauend, durch „Eine Teutsche Grammatica“ die Jugend zuerst in ihrer Muttersprache methodisch lesen und denken gelehrt. Er wollte durch sein Buch, dessen erste Auflage um 1534 und dessen dritte 1537 erschien, das Seine zur Förderung des Unterrichts im Deutschen beitragen.[1] Ickelsamer war, wie er sich voll Selbstgefühl nannte, der erste „teutsche Schulmeister“ und stand mitten in der geistigen Bewegung jener Zeit. Anfangs ein warmer Verehrer Luthers, schloß er sich eine Zeit lang Karlstadt an, wurde, da er sich in Rothenburg an der Bauernbewegung beteiligt hatte, nach der Einnahme dieser Stadt aus ihr verbannt und ging dann nach Augsburg, wo er von neuem in ein persönlich freundschaftliches Verhältnis zu Luther trat. Seine Grammatik sowol, als seine


Fußnoten

  1. Fechner, H., Vier seltene Schriften des 16. Jahrhunderts. Berlin 1882.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 444. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_07.djvu/040&oldid=- (Version vom 1.8.2018)