hatten die neue Lehre von Wittenberg aus in ihre Heimat getragen und hier mit so großem Erfolg verbreitet, daß die Hauptstadt der Mittelpunkt des Lutherthums für ganz Westfalen geworden sein würde, wenn sich die Wiedertäufer ihrer nicht für ein paar Jahre bemächtigt hätten. Das Ende ist bekannt. Die nunmehr eintretende Reaktion richtete sich selbstredend auch gegen die Luthersche Lehre, aus welcher in ihren Augen jene Sektirer erwachsen waren; mit den gewaltsamsten Mitteln wurde die Herrschaft der katholischen Kirche wiederhergestellt. In dem Wüten gegen die Presse, und vor allem gegen die Lutherschen Werke, waren beide feindlichen Parteien, die Besiegten und Sieger, einig. Zuerst hatten die Wiedertäufer, mit Ausnahme der Bibel und der Flugschriften Rottmanns, alles vernichtet und verbrannt, was sie an gedruckten und ungedruckten Büchern auftreiben konnten. Sie entleerten außer der kostbaren Dombibliothek die Buchläden im Paradiese des Doms und die Druckereien, ja sie zwangen die Bürger, alles, was sie an gedruckten Werken hatten, auf dem Domplatz abzuliefern, damit es dort den Flammen übergeben werde. Daß sich eine Menge Lutherscher und reformatorischer Streitschriften darunter befand, darf wohl um so eher angenommen werden, als der Boden des damaligen Münster schon jahrelang von den religiösen Parteien unterwühlt war und Rottmann – der noch vor der Katastrophe aus einem Lutheraner zum Anhänger Zwingli’s geworden war – sicher die Kenntnis und den Besitz der Streitschriften beider protestantischen Parteien vermittelt und ihren Vertrieb befördert hatte. Als dann die wieder zurückgekehrten bischöflichen Behörden ernstliche Vorkehrungen gegen das Wiederaufleben der gesunden reformatorischen Richtung trafen, auch bald darauf in den Münster auftretenden Jesuiten ihre beste Stütze fanden, schritten sie natürlich in erster Linie gegen alle ketzerischen Bücher ein. So ordnete ein Landtagsbeschluß vom 24. Juni 1562 an, daß Bücher, welche über die Calvinsche oder Zwingli’sche Lehre handelten, von den Unterthanen weder zu kaufen noch zu lesen, vielmehr anzuzeigen und zu vernichten seien. Es scheint, daß man einen solchen Befehl gegen die Lutherschen Schriften für überflüssig erachtete, sei es, daß die Wiedertäufer bereits genügend aufgeräumt hatten, oder daß man ihn für selbstverständlich hielt, weil die Ausrottung des Luthertums die erste Voraussetzung der Wiederherstellung der katholischen Kirche bildete.
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 430. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_07.djvu/026&oldid=- (Version vom 1.8.2018)