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Mann jetzt nur Schrift (Gedrucktes) fordere und an einem Tage mehr lese als sonst in einem Jahre. Die Nürnberger ließen sich Luthers Schriften auf offenem Markte vorlesen, dürsteten ordentlich nach ihnen, wie der Rat sagt, welcher auf die Dauer deren Verkauf nicht verhindern konnte. Die dortigen Geistlichen baten bereits 1524 den Rat um Erlaubnis, des Studierens halber Luther in Wittenberg besuchen zu dürfen.

Die zünftige Gelehrsamkeit war aber außer sich. Erasmus klagte namentlich seit dem Erscheinen des Neuen Testaments wiederholt darüber, daß der ganze Büchermarkt von Luther und seinen Anhängern beherrscht sei, daß niemand etwas für den Papst drucken wolle, und daß man alles was gegen Luther sei, als nicht vorhanden behandle. „Hier (in Basel)“, schreibt er unter anderm 1523 an König Heinrich VIII. von England, „ist niemand, der es wagte, nur ein Wörtchen gegen Luther drucken zu lassen, während man gegen den Papst schreiben darf, was man will.“ „Bei den Deutschen“, schreibt er am 24. Juni 1524 weiter, „ist jetzt kaum etwas verkäuflich außer den Schriften Luthers und seiner Gegner.“ Während des heiligen Augustinus Werk „De civitate Dei“ sonst einer der gangbarsten Artikel und bisher in zahlreichen Ausgaben verkauft worden war, setzte Froben auf der frankfurter Herbstmesse des Jahres 1524 kein einziges Exemplar davon ab. Andererseits weigerten sich die Verleger allerorten, andere als lutherisch-theologische Schriften zum Druck zu befördern. So war selbst Eobanus Hesse, dessen Namen früher zur Empfehlung eines Buchs hingereicht hätte, nach verschiedenen fehlgeschlagenen Versuchen genötigt, für eine neue Ausgabe seiner einst mit dem größten Beifall aufgenommenen „Heroiden“ Melanchthons Vermittelung in Anspruch zu nehmen. „Ich werde mir Mühe geben“, antwortete dieser, „daß sie entweder hier oder am Rhein gedruckt werden, denn nach der Vollendung des Kommentars zum Neuen Testament werden die lutherischen Pressen einige Muße haben.“[1]

Luthers schriftstellerische Thätigkeit schuf eigentlich erst den norddeutschen Buchhandel und erhob das bisher kleine Wittenberg in wenig Jahren zu einem der bedeutendsten deutschen Verlagsorte, dessen Offizinen an Leistungsfähigkeit mit den ältesten, bis dahin allein maßgebenden Häusern Süddeutschlands wetteifern konnten. Das Verhältnis des Reformators zu seinen Verlegern ist erst neuerdings auf Grund zeitgenössischer Urkunden von G. Wustmann ins rechte Licht gestellt worden;


Fußnoten

  1. Kampschulte a. a. O. II, 193.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 417. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_07.djvu/013&oldid=- (Version vom 1.8.2018)