übersetzt wurden und in dieser Gestalt sogar in größere Kreise eindrangen, so vermochten sie durch ihren vornehm skeptischen oder derb satirischen, aber immer blos kritischen Ton doch nicht zur Begeisterung zu entflammen. Eine Bewegung, deren beste schriftstellerische Leistung in Mönchslatein verfaßt wurde, konnte höchstens klärend und vorbereitend wirken. Die bibliographische Statistik beweist, daß die deutsche Litteratur dem Humanismus eine nur geringe unmittelbare Förderung zu danken hat und daß sie höchstens mittelbar durch die Entwickelung seiner bedeutendsten, später deutsch schreibenden Vertreter, wie Hutten und von dem Busche, gehoben worden ist. Als bald nachher der Humanismus von der Reformation überflutet wurde, griff diese, wie die folgende Darstellung ergeben wird, gleich von vornherein, im Interesse der Selbsterhaltung, zur deutschen Flugschrift und gewann hauptsächlich durch sie das Volk für ihre Sache. Ohne diese mächtige Bundesgenossin wäre sie möglicherweise in ihrer Wiege noch unterdrückt worden.
Wem diese Ansicht etwa zu weitgehend erscheint, der möge doch einmal die Anfänge der hussitischen Bewegung mit der lutherischen vergleichen. Wäre die Buchdruckerkunst schon zu Anfang, statt in der Mitte des 15. Jahrhunderts erfunden worden, so würde die geistliche und weltliche Macht schwerlich im Stande gewesen sein, Huß ein so schnelles Ende zu bereiten. Daß Huß einen mächtigen Eindruck auch auf das deutsche Volk machte, wird mehrfach erzählt und ist leicht erklärlich. Als er auf dem Wege nach Konstanz durch Nürnberg kam, bildeten die Bürger Spalier in den Gassen, welche der böhmische Reformator berührte, und die Mütter brachten ihm ihre Kinder, um sie „von dem heiligen Mann“ segnen zu lassen. Alles Volk jauchzte ihm entgegen, weil es von seinem mutigen Vorgehen die Niederlage Roms erwartete, eine Hoffnung, welche schon damals die innerste Volksseele aufwühlte. Selbst die Geistlichkeit jauchzte ihm zu, als er seine Lehrsätze offen verteidigte, ja er war, wie er erzählt, bis dahin noch keinem ausgesprochenen Widersacher begegnet. Huß konnte jedoch über keine Presse, die seine Sache führte, über keine Buchführer, welche ihn verteidigten, und folglich auch über keine Leser, die selbst dachten, verfügen.
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 404. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_06.djvu/045&oldid=- (Version vom 1.8.2018)