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Der Hauptanteil an diesem Siege gebührte den litterarischen Waffen, unter ihnen vor allen jener unsterblichen Satire, den im Gegensatz zu den eben erwähnten Briefen sogenannten „Epistolae obscurorum virorum“, deren erster Teil Ende 1515 und deren zweiter Anfang 1517 erschienen war. Sie gingen von dem erfurter Humanistenkreise, den Freunden des Mutianus Rufus, aus. Obwohl sich über ihre Verfasser nichts Bestimmtes sagen läßt, so kann man doch mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß Crotus Rubianus hauptsächlich den ersten Band geschrieben hat, während an dem zweiten offenbar Ulrich von Hutten, Petrejus Eberbach und Eobanus Hesse vorzugsweise gearbeitet haben. Der dritte, gegen Ende des 17. Jahrhunderts erschienene Band ist keine Originalarbeit und tritt bloß den Witz seiner beiden Vorläufer breit. Auch über Druckerei und Drucker sind die Leser durch absichtlich falsche Angaben irregeführt worden. Die erste Sammlung (in Quart gedruckt) sagt, daß sie in Venedig bei Aldus Manitius (absichtlich so, statt Manutius) erschienen sei: auch ein Beweis dafür, welch hohen Ansehens sich die Aldinische Firma unter den deutschen Humanisten erfreute; die zweite nennt in leichtverständlichem Hohn die römische Kurie als den Verleger. Die Annahme, daß Editio princeps in Köln, Mainz oder Tübingen gedruckt sei, ist neuerdings von Steiff[1] schlagend widerlegt worden. Sie wurde vielmehr 1515 durch W. Angsts Vermittelung von Heinrich Gran in Hagenau (nicht von Thomas Anshelm) und die zweite Sammlung von Johann Froben in Basel gedruckt. Die Briefe fanden einen so reißenden Absatz, daß in dem einen Jahre 1516 vom ersten Teil drei Auflagen erschienen, deren letzte noch eine nicht unbeträchtliche Vermehrung durch acht Briefe enthält, wie denn auch der zweite Teil verschiedene Ausgaben erlebte.

Die Satire war in Anlage und Durchführung trefflich gelungen. Ihre Hauptabsicht ging dahin, den Obskurantismus in seiner ganzen Ohnmacht an den Pranger zu stellen und der Bildung und Geistesfreiheit den ihr gebührenden Sieg über Barbarei und mittelalterliche Verketzerungssucht zu sichern. Das schlechte Mönchslatein, die selbstgeschaffenen Wörter und Redensarten, die unnützen, lächerlichen und doch mit großer Wichtigkeit behandelten Streitfragen, die albernen Spitzfindigkeiten, gesuchten Erklärungen und Allegorien, die krasse Unwissenheit, der thörichte Aberglaube, die hohle Aufgeblasenheit und kindische Eitelkeit, der Mißbrauch


Fußnoten

  1. Daselbst S. 218.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 402. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_06.djvu/043&oldid=- (Version vom 1.8.2018)