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Es erschienen in Erfurt unter anderm Huttens „Nemo“ ohne Jahreszahl (wahrscheinlich 1512 oder 1513) bei Stribilita, und im August 1513 dessen „Vir bonus“ bei Knapp. Ende 1520 ließ es sich Crotus besonders angelegen sein, durch nach allen Richtungen ausgestreute anregende Flugschriften und Briefe die Nation im Sinne der Bewegung zu bearbeiten. Er war damals, wie schon gesagt, Rektor der Universität und vermittelte auch um diese Zeit den Verkehr zwischen Luther und Hutten. Auch für die Universitätsbibliothek geschah viel. Eobanus Hesse ist unerschöpflich in ihrem Lobe, ja er setzt sie – gar zu überschwenglich – sogar über die große Ptolemäische Büchersammlung.

Im neuen Jahrhundert wurde Erfurt der Sammel- und Mittelpunkt der jungen, von ihren Gegnern Poeten genannten Humanisten, die fortan diesen Namen mit Stolz führten. Um Maternus Pistoris zunächst scharten sich Konrad Celtis, Johann Jäger (Crotus Rubianus), einer der vornehmsten Verfasser der Dunkelmännerbriefe, Spalatin, Eobanus Hesse (1488 bis 1540), der oft vor 1800 Studenten seine Kollegien über römische Klassiker las, Mutianus Rufus, der begeisterte Anhänger Reuchlins (in Gotha), zeitweise auch Ulrich von Hutten, sowie die spätern Reformatoren Luther und Melanchthon. Aber manche von ihnen und gerade diejenigen, welche anfänglich am lautesten gegen das Papsttum gekämpft hatten, Eobanus Hesse, Mutianus Rufus und Crotus Rubianus, fanden später nicht die Kraft in sich, Luther zu folgen; die entschiedenen Geister siedelten 1520 von Erfurt nach Wittenberg über, welches nun zunächst den Mittelpunkt des geistigen Lebens für Deutschland, ja Europa, bildete.

Will man die reißend schnellen Fortschritte des deutschen Humanismus, die zum großen Teil von Erfurt ausliefen und hier wieder mündeten, recht verstehen, so muß man in erster Linie den Unmut und Ekel im Auge behalten, welche in allen Gemütern gegen das Alte und Bestehende, namentlich aber gegen die Methode und den Inhalt der mittelalterlich-klösterlichen Bildung herrschten und alle Volksklassen für die neuen Gedanken und Bestrebungen doppelt empfänglich machten.

Allein mehr als das, es war eine gewaltig bewegte Zeit. Eine Entdeckung drängte die andere, neue wissenschaftliche Probleme forderten zum gründlichen Studium auch der alten Lehrmeinungen auf, und wie die räumliche Welt sich in einem kurz zuvor kaum noch geahnten Umfange erweiterte, so fand auch die geistige Bewegung keine Schranken und stürmte

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Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 396. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_06.djvu/037&oldid=- (Version vom 1.8.2018)