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schildert der Künstler die Scenen, wie er sich dieselben vorstellt, oder wie sie von alters her dargestellt worden waren; und wenn er den Gestalten die Personennamen beifügt, so folgt er darin nur dem Beispiel der Vasenmaler u. s. w. Noch Jahrhunderte lang nach ihm unterstützten die Maler ihre Kunst der Erzählung und Charakteristik durch solche Beischriften. Im wesentlichen auf demselben Standpunkt stehen die altbyzantinischen Buchmalereien, von denen leider die Bilderstürmer so wenig haben auf die Nachwelt kommen lassen. Allein hier tritt bereits ein neues, für die weitere Geschichte der Buchausstattung bedeutsames Element hinzu. Die eigentlichen, selbständigen Bilderbeigaben in Büchern religiösen Inhalts (und dahin gehört die große Mehrzahl) bestehen in porträtartig gehaltenen Darstellungen der Evangelisten, manchmal auch des lehrenden Christus, ferner in Kompositionen zu den erzählten Vorgängen; der Text aber wird mit besonderer Auszierung versehen: Randeinfassungen der Canonestafeln, welche den Evangeliarien vorausgeschickt zu werden pflegen, und großen farbigen oder vergoldeten Anfangsbuchstaben. In beiden Richtungen hält die byzantinische Kunst sich in ziemlich engen Grenzen, welche sich teils durch die beschränkenden kirchlichen Vorschriften, teils durch die sozusagen fabrikmäßige Herstellung der Codices erklären läßt. Der durch Kaiser Leo III. 726 heraufbeschworene Bilderstreit führte zunächst die Zerstörung unzähliger Kunstwerke herbei und hatte endlich zur Folge, daß sowohl die Typen der heiligen Personen als auch die historischen Darstellungen immer wieder mechanisch kopiert wurden, und ebenso in den mit musivischen Mustern bedeckten und auf dem Gebälk Vögel, Springbrunnen, Vasen u. a. m. tragenden Arkaden, welche die Canones umrahmen, eine große Einförmigkeit eintrat.

Viel freier bewegte sich die Buchmalerei im Abendlande. In den Skriptorien der Klöster wurden unablässig nicht nur die Bücher für den Kirchendienst, sondern auch Schriften der römischen Klassiker kopiert. Man umzog mit roten Linien das zu beschreibende Feld des Pergamentblattes und zeichnete den Anfangsbuchstaben eines Kapitels oder Absatzes durch Größe und rote Farbe aus. Von dem Rot (rubrum) jener Linien erhielten die Einteilungen des Blattes die Bezeichnung Rubriken, nach der Farbe Mennig (minium) aber wurden Buchmaler und Buchmalerei Miniatoren und Miniatur genannt, welche Namen beiden blieben, als sie längst über diese einfachen Mittel hinausgegangen waren.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_04.djvu/015&oldid=- (Version vom 1.8.2018)