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Venerabilis von Cluny zwischen 1122 und 1150 neben verschiedenen Papierarten auch solches aus alten Fetzen erwähnt, so sind doch dergleichen Materialien gewiß schon viel früher in denjenigen Ländern verarbeitet worden, welche die rohe Baumwolle aus weiter Ferne einführen mußten.[1] Ja, es scheint keineswegs alles, was bisher dem äußern Ansehen nach für Baumwollenpapier gehalten worden ist, wirklich solches zu sein. Und wie Pergament und Baumwollenpapier nebeneinander noch im 13. Jahrhundert im Gebrauch blieben, so ist ohne Zweifel auch die eine Papierart nicht plötzlich von der andern verdrängt worden. Arabisches Baumwollenpapier ist ja in dem Funde von El-Fayûm[2] noch aus dem 10. Jahrhundert zum Vorschein gekommen. Die ältesten Linnenpapiere sind bisher aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts nachgewiesen worden: eine Rechnung von 1301 in Lyon, Untersuchungsakten gegen den Templerorden (1309) im pariser Archiv, eine von Breitkopf erwähnte Urkunde des Bischofs von Cammin von 1315.[3]

Baumwollen- und Linnenpapier lassen sich zwar in der Regel unschwer unterscheiden, da das erstere dick, locker, faserig, brüchig, von gelblicher Farbe und undurchsichtig zu sein pflegt, das letztere aber fester und glatter, durchscheinend, von ins Graue spielender Farbe und – aus früher Zeit – mit zahlreichen dünnern Stellen (Wasserflecken) und für das Auge und das Gefühl sehr wahrnehmbaren Eindrücken der Formdrähte und später des Kautschfilzes; ist ein Wasserzeichen vorhanden, so erscheint dies im Baumwollenpapier nur in unbestimmten Umrissen. Doch ist zur ganz sichern Bestimmung alter Papiere mikroskopische und chemische Prüfung erforderlich. Im 15. Jahrhundert vervollkommnet sich das Linnenpapier in jeder Beziehung, es wird körperhafter, gleichmäßiger und glatter.

Unsicher ist auch noch unsere Kenntnis von dem Beginn der Papierindustrie in den verschiedenen Ländern. Wohl sind nach und nach viele Notizen über die Anlage oder das Bestehen von Papiermühlen gesammelt worden; da aber deutsche Städte, in denen oder in deren Nähe im 14. Jahrhundert solche Mühlen bestanden, ihren Papierbedarf noch bis in das 15. aus Italien oder Frankreich verschrieben, so bleibt zweifelhaft, ob die heimischen Fabriken damals überhaupt schon zum Schreiben geeignetes Papier herzustellen vermochten. Die Stadt Görlitz, deren ältestes Stadtbuch von 1305 noch auf Pergament, das älteste Achts- und


Fußnoten

  1. Vallet-Viriville, Notes pour servir à l’histoire du papier. (Gazette des beaux-arts 1859.) Daselbst heißt es S. 224: „Vers 707 les Arabes établis à Samarkand prirent le papier aux Chinois, mais seulement à titre d’emprunt … D’un autre coté les Grecs trouvèrent le papier en Asie, ils le donnèrent à la Sicile et à l’Italie. En outre par Venise et par les ports des Pays-Bas le papier pénétra en France, en Angleterre et en Allemagne. Le papier des Grecs remonte bien au IX. siècle. À partir de 1050 on en a des spécimens datés et suivis“. – Belege werden zu dieser Darstellung nicht gegeben. Vergl. auch: Wehrs, Vom Papier etc. Hannover 1790. – Peignot. Essai sur l’histoire du parchemin et du vélin. Paris 1812.
  2. Vergl. S. 226.
  3. Delandine, Manuscripts de la Bibliothèque de Lyon. 1812. – Vallet-Viriville a. a. O. Breitkopf (s. Anm. 18), S. 95.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_04.djvu/007&oldid=- (Version vom 1.8.2018)