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Kern der eigentlichen Erfindung, die Herstellung gegossener Lettern, zuschrieb. Nun hat Gutenberg die Kunst des Druckens überhaupt nicht erfunden, weil die Druckerkunst viel älter ist als seine Erfindung. Schon das 12 Jahrhundert kennt den Zeugdruck, Buchbinder- und Tischlerpressen. Im 14. Jahrhundert gibt es bereits Prenter – im Englischen heißt heute noch der Buchdrucker Printer – Briefdrucker und Kartendrucker. Der älteste bekannte Holzschnitt, der heilige Christoph, trägt die Jahreszahl 1423. Um dieselbe Zeit, wenn nicht früher, fing man an, Heiligenbilder auf Holztafeln einzuschneiden und abzudrucken. Auch die geschnittenen unbeweglichen Holztafeln wurden schon lange vor Gutenberg zum Druck, wenn auch nur weniger Zeilen, meistens zu Über- und Unterschriften benutzt. Zur Herstellung ganzer Seiten, geschweige denn großer Folianten, genügt der bewegliche hölzerne Buchstabe aber nicht. Dazu ist er zu weich und sein Kegel zu wenig gleichförmig. Also auch nicht die Beweglichkeit und Selbständigkeit der Lettern, sondern die richtige Art der Typenbildung war der Gedankenblitz der Erfindung Gutenbergs, wie das Madden und von der Linde überzeugend begründet haben.[1] Bei der Herstellung der Typen ist, wie das von der Linde näher ausführt, bekanntlich der Stempelschneider die wichtigste Person. Er arbeitet nach einer gezeichneten Vorlage den Buchstaben verkehrt und erhaben in Stahl aus. Dieser Stahlstempel heißt Patrize. Die Patrize wird in ein Kupferstäbchen eingeschlagen, das dann den Buchstaben recht und vertieft zeigt. So entsteht die Matrize, welche die Form für den zu gießenden Buchstaben bildet. Zu diesem Zweck wird die Matrize am Grunde des Gießwerkzeugs eingelegt. Die Vervielfältigung der Typen durch den Guß kann dann vor sich gehen. Die aus einer Metallmischung – anfänglich wurde dabei Eisen und Zinn mit verwandt – bestehende, gegossene Druckletter zeigt ein Abbild der Patrize; sie wird zuletzt durch Abbrechen des Angusses, Abhobelung bis auf die Kegelhöhe und Schleifen satztauglich gemacht. „Das Werk der Bücher“ also, d. h. die Möglichkeit der unbegrenzten Vervielfältigung durch den Abdruck von metallenen, aneinander gesetzten Typen von gleichem Kegel und die dadurch gegebene Leichtigkeit, Folianten und alle Formate in tausend und mehr Exemplaren herzustellen, diese unschätzbare Errungenschaft verdankt die Welt Gutenberg. Erst seitdem die Typen hinsichtlich der Kegelgröße im Verhältnis einer geometrischen Präzision zueinander stehen, kann man


Fußnoten

  1. Linde a. a. O. S. 15 und Madden, J. P. A., Lettres d’un Bibliographe. Paris.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/044&oldid=- (Version vom 1.8.2018)