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zum spätern Buchhandel vollzog sich auf eine ganz natürliche und einfache Weise. Letzterer knüpfte im wohlverstandenen eigenen Interesse an die äußere Form des bisherigen Verkehrs an und fand durch das Betreten alter Geleise zugleich seinen eigenen Weg geebnet. Äußerlich blieb alles beim alten; aber der Inhalt wurde ein reicherer, ausgebreiteterer und namentlich ausdehnungsfähigerer. So hat sich von jeher aller gesunde geschichtliche Fortschritt entwickelt. Jeder Erfinder und Entdecker, überhaupt jeder Weitergehende steht auf den Schultern seiner Vorläufer. Er muß sich an die den Menschen bereits vertraut und lieb gewordenen Einrichtungen und Formen anschmiegen, wenn er Beachtung und Erfolg gewinnen will.

Übrigens hielten sich die Lohnschreiber trotz der Erfindung der Buchdruckerkunst noch bis in die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts hinein. So bat einer von ihnen noch 1525 den straßburger Rat um eine Anstellung als Lehrer[1], weil ihm durch den Druck der Bücher seine Nahrung als Schreiber entzogen worden sei.

Sammlungen von Handschriften waren während des ganzen Mittelalters bis zu dessen letztem Jahrhundert klein, aber sehr kostbar und deshalb selten. Italien und Frankreich hatten allerdings schon Bibliotheken aufzuweisen, als sich in Deutschland erst bescheidene Ansätze zu ihnen zeigten; aber es handelte sich bei jenen immer nur um einige Dutzend Bände. Die vereinzelt als glänzende Beispiele von mittelalterlichen Bibliotheken angeführten Schätze beweisen höchstens die Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit der Beschaffung einer solchen Sammlung für das Durchschnittsbedürfnis. In einer wirtschaftlich und geistig so wenig entwickelten Zeit, wo das Pergament den Wert des Silbers hatte, konnte sich ein einzelner Reicher höchstens ausnahmsweise einen Handschriftenluxus gestatten, welcher Weinberge und ganze Landgüter zu seiner Befriedigung verschlang. Das Kloster Benediktbeuern rühmte sich im 8. und 9. Jahrhundert der kostbarsten und reichhaltigsten Bibliothek in ganz Bayern, weil es etwa 50 Handschriften besaß. Die Merovingerin Gisela, welche nach dem Sturze ihres Hauses im Kloster Kochel den Schleier nahm, brachte selbst 21 Handschriften mit und unterhielt im nahen Benediktbeuern unter Abt Waldram fünf Kapläne zum Kopieren von Werken. Der Mönch Ulrich vertauschte mit Zustimmung des Abtes und Konvents 1054 ein Meßbuch gegen einen umfangreichen Weinberg


Fußnoten

  1. Schmidt, Carl, Zur Geschichte der ältesten Bibliotheken und ersten Buchdrucker zu Straßburg. 1882. S. 41 u. 75.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/023&oldid=- (Version vom 1.8.2018)