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Heinrich Rantzau: Geschichte des Dithmarscher Krieges

dem Thron gefolgt. Als Karl, der mächtigste Kaiser seiner Zeit, vom Alter gebeugt, gebrochen an Leib und Seele, den vielen Regierungsgeschäften nicht länger vorzustehen vermochte, ließ er durch Wilhelm Aurantzius den sieben Kurfürsten die Reichsinsignien überbringen, legte die Kaiserwürde ab, und zog sich in das Kloster St. Juste in Spanien zurück. Hier erwartete er in klösterlicher Abgeschiedenheit den letzten Tag seines Lebens und starb in demselben Jahre, als seine beiden Schwestern Maria und Eleonora, Königinnen von Ungarn und Frankreich und die Gemahlin seines Sohnes Philipp I., Königin Maria von England mit Tode abgingen.

Ferdinand berief die Fürsten und Stände des ganzen Reiches zu einem Reichstag nach Augsburg. Die Beratungen dauerten nahezu zehn Monate. Man gelobte die Würde des Reiches zu wahren, die Grenzen vor den Türken, den erbittertsten Feinden der Christenheit zu schützen, und die öffentliche Ruhe und Sicherheit in Deutschland zu befestigen. Auf Anregung der Geistlichkeit wurde auch beschlossen, Livland zur Werbung eines Heeres mit 100 000 Dukaten zu unterstützen. Die von dem Deutschritterorden gegründete baltische Kolonie hatte von den verheerenden Einfällen der wilden Moskowiten oder Rutenen viel zu leiden, da sie unter Anführung ihres grausamen, beutesüchtigen Fürsten beständig ihre Grenzen bedrohten. Ueber die geringe Hilfsleistung des Reiches war in Livland der Unwille so allgemein und groß, daß die Verweser des Landes sich genötigt sahen, die Annahme der 100 000 Dukaten zu verweigern. In ihrer verzweifelten Lage glaubten sie bei der Nachwelt mehr Ruhm zu ernten, wenn sie keine Hilfe vom Reiche annähmen, sondern den letzten verzweifelten Kampf mit einem überlegenen Feinde allein auskämpfen und männlich in den Tod gehen würden. Die Annalen der Geschichte sollten nicht von ihnen melden, daß sie ihrer Ritterpflicht uneingedenk, mit zu wenig Edelmut für das Vaterland gekämpft und ihre Hoffnung auf die Hilfe des Deutschen Reiches gesetzt hätten. So wurde Livland aller Hilfe bar, und einem mächtigen Gegner nicht gewachsen, die Beute der Barbaren. Die Feigheit des Landesobersten war überdies

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Heinrich Rantzau: Geschichte des Dithmarscher Krieges. Heider Anzeiger G. m. b. H., Heide 1914, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dithmarscher_Krieges.djvu/014&oldid=- (Version vom 13.11.2022)