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Michael Grimm: Sitten, Gebräuche, Aberglauben, Sagen (Gmünd). In: Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Gmünd von Anbeginn bis auf den heutigen Tag

Verurtheilung und der martervolle Kreuzweg in ernsten Bildern und Tönen an ihnen vorüberzog; – so ist das wohl ein rühmliches Zeugniß für die ehrsamen Bürger der schwäbischen Reichsstadt, daß die Feier der kirchlichen Feste bei ihnen aus den heiligen Mauern des Gotteshauses herausgetreten und mitten hinein in das Volksleben anregend und erhebend, erfreuend und ergreifend sich gestellt hat.

Wirklich war die Theilnahme eine allgemeine. Kein Stand schloß sich vom Spiele aus, und die ganze Masse des Volkes aus der Stadt und Umgegend und in einzelnen Schaaren weit über diese hinaus, fand sich bei der Aufführung ein, die unter freiem Himmel stattfand und viele Stunden dauerte.

Es war das noch eine Zeit, wo in dieser schwäbischen Reichsstadt der Unterschied der Stände noch nicht so schroff sich geltend machte, wie das nachgerade eintrat. Die Geschlechter, die Patricierfamilien waren längst vertrieben, und es fand sich der Bürger nur seines gleichen gegenüber. Nur der Besitz bildete im öffentlichen Leben den Unterschied; aber der Kaufmann hieß eben „Händler“, mochte er Zucker lothweise verkaufen oder mit seinen Goldwaaren in Frankfurt oder Leipzig die Messe beziehen; der Goldschmied hieß eben Goldschmied und war Geselle oder Meister und noch nicht Fabrikherr und Arbeiter.

Es war noch eine Zeit, wo in den Mauern dieser Stadt die äußern Abzeichen des katholischen Glaubens etwas galten, wo die Rathsherrn mit dem Rosenkranz in der Hand auf das Rathhaus gehen mußten; weil es so die Bürgerschaft, wie die Chronik erzählt, im Zeitalter der Glaubenstrennung von seinem Magistrat verlangte, da sie einmal von ihm fürchtete, er denke die Stadt in den Abfall anderer Reichsstädte Schwabens hineinzuziehen. Es war noch eine Zeit, wo ein ehrsamer Rathsherr Freimaurer sein und doch alle Samstag Abend mit der versammelten Familie den Rosenkranz auf den Knien beten konnte.

Bei Verhältnissen, von denen diese wenigen Züge ein

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Michael Grimm: Sitten, Gebräuche, Aberglauben, Sagen (Gmünd). In: Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Gmünd von Anbeginn bis auf den heutigen Tag. Selbstverlag des Verfassers, Gmünd 1867, Seite 403. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_der_ehemaligen_Reichsstadt_Gmuend.djvu/407&oldid=- (Version vom 1.8.2018)