Seite:Geschichte Dithmarschens Kolster 1873.pdf/23

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Kampfe mit Sturm und Eis zur Zeit der Ebbe, zu Fuß, Pferd und Wagen über den Strom setzend, die Insel zu erreichen; und oft verschlang die ereilende Fluth Mann und Roß. Und auch nützlich war das Unternehmen; denn welch schönes Ackerland war, gelang es, gewonnen. Da griff man es ungemein eifrig an, mit Hülfe der Nachbarn arbeitete man von beiden Seiten, von der Insel und dem festen Lande aus, einander entgegen. Die mittlere Tiefe war schon ausgefüllt, durch Pfähle und Erde; und jeder war da mit seinem Fuhrwerk; Herren und Knechte, Kinder und Mägde schleppten Erdsäcke herbei, um die letzte Tiefe auszufüllen. Da nahte die Fluth heran: doch schreckte dieß die Arbeitenden nicht ab, trieb sie vielmehr zu verdoppeltem Fleiße, und als die Fluth da war, stand sie an beiden Seiten still. Die Arbeit gelang am Johannistag 1585. Der gute Anfang gab Muth. In den nächsten Jahren führte man nach der Nord- und Südseite hin Deiche auf und gewann großes Ackerland. Jedermann legte Hand ans Werk, auch Herr Johann Adolf (so nennt Neocorus sich selbst – Herr war in damaligen Zeiten die ehrende Auszeichnung des Adels und der Geistlichkeit) arbeitete selbst unverdrossen mit auf seinem Fuhrwerke; er glaubte, sein Fuhrmann sei nicht hurtig genug, und drohte mit dem Spaten. Jener fällt nieder und erstickt im tiefen Sande. Neocor selbst sagt: es sei ein kränklicher Schneider gewesen, der vor Schreck gestorben sei. Begreiflich jedoch ist es, daß die Sache ihn in äußere Unruhe versetzte, von der er aber bald, nachdem die Sache gehörig untersucht war, ehrenvoll befreiet wurde.

Aber war es nun eigne innere Unruhe, war es verfolgendes Mißgeschick: er sollte nie zur Ruhe kommen. Als 70jähriger Greis gerieth er wieder mit seiner Gemeinde in Streit, und theilte das Loos so mancher seiner Amtsvorfahren, welches er ahnend vorhergesehen. Er ward entsetzt, und dieß wohl nicht ohne Zuthun der Regierung, 1624. Er selbst nennt dieß Mißgeschick seinen Fall und spricht von seiner letzten Predigt vor seinem Falle.

Schon seit 1619 arbeitete er nicht weiter fort an seinem

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Heinrich Kolster: Geschichte Dithmarschens. Nach F. C. Dahlmanns Vorlesungen im Winter 1826. Wilhelm Mauke, Leipzig 1873, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_Dithmarschens_Kolster_1873.pdf/23&oldid=- (Version vom 14.6.2018)