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in Mzchet Zuflucht zu suchen. Als sie hier ankam, wurde gerade zu Ehren des Gottes Armas ein Opferfest begangen und auf der römischen, noch von Pompejus erbauten Kurbrücke, begegnete sie dem Könige Miriam, welcher sich mit seinem Gefolge zur Opferfeier begab. Während diese vollzogen wurde, betete Nina zum Christengotte und bat ihn um Beistand zu ihrem Unternehmen. Ihr Gebet ward erhört, denn während die heidnischen Priester das Opfer darbrachten, entstand ein Sturm, welcher das Götzenbild umstürzte, das bis jetzt für die Georgier der Gegenstand der höchsten Verehrung gewesen war. Von diesem Augenblicke an begann Nina ihr Bekehrungswerk, aber lange waren ihre Bemühungen erfolglos. Wie vielen anderen Verbreitem der christlichen Lehre werden auch ihr manche Wunder zugeschrieben, in Folge deren erst die Georgier dem Heidentume entsagt und den neuen Glauben angenommen haben sollen. Auch vom Könige Miriam wird erzählt, dass er sich erst durch ein Wunder bewegen liess, Christ zu werden. Als er sich nämlich einmal auf der Jagd des dichten Nebels wegen verirrte, gelobte er dem Heilande, wenn er ihm beistände, mit seinem ganzen Volke seine Lehre anzunehmen. Sogleich erhob sich der Nebel und Miriam vermochte in die Stadt zurückzukehren, wo schon ein zahlreicher Volkshaufe, unter welchem sich auch Nina befand, seiner wartete. Hier wiederholte Miriam sein Gelübde und von nun an ging die Bekehrung Georgiens ohne Hindernisse von statten. An Stelle der umgestürzten Götzenbilder errichtete Nina ein Kreuz aus Weinreben, welches ihr die heilige Jungfrau im Traume überreicht haben soll.

Dies ist die Legende von der Entstehung des Christentums in Georgien und jedenfalls ist sie nicht ganz erfunden, denn höchst wahrscheinlich ist Nina keine erdachte Persönlichkeit, zumal ihre Wirksamkeit nur einige Jahrzehnte vor der Kirchenversammlung zu Nicäa statt fand, also in

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/80&oldid=- (Version vom 1.8.2018)