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Anhaltende Thronstreitigkeiten zwischen den Prinzen des Bagratidenhauses führten endlich den Untergang seiner Selbstständigkeit herbei und um das Jahr 1800 bemächtigte sich Russland dieses Landes.

Der Verlust der Unabhängigkeit änderte natürlich in vieler Hinsicht die Lage der Dinge in Georgien, seine Institutionen wurden grösstenteils durch russische ersetzt und überhaupt verschiedene Assimilierungsmittel angewandt, um aus seinen Bewohnern nicht nur russische Unterthanen, sondern auch Russen zu machen. Manche dieser Mittel waren nicht völlig erfolglos, denn anfänglich verblendete einen Teil der georgischen Gesellschaft die europäisch-russische Kultur, welche durch die neuen Herren bei ihnen eingeführt wurde. Mit der Zeit erwachte jedoch wieder in ihnen das Nationalbewusstsein, sie erinnerten sich, dass sie selbst eine alte Kultur besassen und machten sich daran, diese den modernen Anforderungen gemäss zu entwickeln. Seitdem ziehen die Georgier zwar aus den russischen Institutionen Nutzen, sind für die russische Regierung friedliche Unterthanen, aber nichtsdestoweniger arbeiten sie an ihrer eigenen Entwicklung und streben darnach, ein den Völkern Europas ebenbürtiges Kulturvolk zu werden.

Die Beeinflussungen, welchen die Georgier im Laufe Vergangenheit unterlagen, waren verschieden und haben auch mehr oder weniger Spuren auf ihren Institutionen, Sitten, ihrer Sprache und ihrem Geistesleben zurückgelassen. Ursprünglich wurde ihre Kulturentwicklung von dem Verkehr beeinflusst, welchen sie lange Jahrhunderte hindurch mit den Byzantinern unterhielten und welcher mit Einführung des Christentums in Georgien seinen Anfang nahm. Für lange Zeit verdrängte er den Einfluss, den bisher Persien auf dieses Land ausgeübt hatte. Dieser Verkehr wurde in der Folge immer reger und Byzanz errang sich mit der Zeit die Vormundschaft über Georgien

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/51&oldid=- (Version vom 1.8.2018)