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herausgebildet hat, wird immermehr durch die europäischen Tänze verdrängt, und vielleicht ist die Zeit nicht mehr fern, da das Theater ihr einziger Zufluchtsort sein wird. Diese Bretter, die die Welt bedeuten, sind es ja, die so manches Lebensbild der Vergangenheit bewahren und immer noch die Menschheit an jenes buntfarbige Spiel der Vorzeit erinnern, über deren Wesen und Geist sie sich längst hinaus zu sein dünkt. Ja, mit wahrhaft kindischer Freude kehren wir zu jener „überwundenen" buntfarbigen Bilderei zurück und laben uns wie Kinder an ihr, denn die graue Prosa unseres scheinbar hohen Kulturlebens genügt uns einmal nicht und sie wird auch den eifrigsten Materialisten nie befriedigen.

Theater giebt es drei in Tiflis, nämlich je ein russisches, georgisches und armenisches. Über die reichsten Mittel verfügt von ihnen das russische, während die beiden andern diesem in jeder Hinsicht weit nachstehen. Das Tifliser georgische Theater, welches bis jetzt das einzige in ganz Georgien ist, hatte Augenblicke, die ihm eine glänzende Zukunft zu prophezeien schienen, aber es waren das nur kurze Flitterwochen und heute ist seine Lage eine keineswegs glänzende. Gegründet wurde die georgische Nationalbühne im Jahre 1850 vom Fürsten Georg Eristawi, welcher auch der erste georgische Bühnendichter war und sich daher um die Förderung der dramatischen Kunst in seinem Vaterlande nicht geringe Verdienste erworben hat. Während des 34jährigen Bestehens dieses Theaters war man bemüht sie auf die Höhe seiner Bestimmung zu erheben, aber trotz eines verhältnismässig reichhaltigen Repertoires von Originalstücken und Übersetzungen, ist die georgische Bühne noch keine Nationalbühne im wahren Sinne des Wortes. Ohne Zweifel fehlt es eben der georgischen Gesellschaft noch am wahren Kunstsinne und den Leitern des Theaters an der gehörigen Kenntnis der dramatischen Kunst. Hierbei ist jedoch hinzuzufügen, dass in der letzten

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/35&oldid=- (Version vom 1.8.2018)