Seite:Georgien. Natur, Sitten und Bewohner.pdf/16

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

europäische Stadtviertel hinzieht, Raum zur Genüge war. Dank der grossen Enge der Strassen und Häuser, die noch dazu von einer zahlreichen, überwiegend armen Menschenmenge bewohnt werden, ist die Luft in der Altstadt äusserst ungesund und für den Europäer geradezu unerträglich. Beim Anblicke der in diesen Häusern herrschenden Unreinlichkeit, glaubt man wirklich an die Beschreibungen der schrecklichen Verheerungen, welche die Pest hier, wie in ganz Georgien, im Jahre 1797 anrichtete. Es war das zu einer Zeit, da das Land durch einen Bürgerkrieg zwischen den Prinzen des königlichen Hauses der Bagratiden beunruhigt, noch die Leiden eines Einfalles der Perser ertragen musste. Und zu diesen Verwüstungen durch Feuer und Schwert gesellten sich noch die Schrecken der Pest, der selbst der König zum Opfer fiel. Was sich damals in diesen engen, schmutzigen Gassen und übelriechenden, von zahlreichen Menschen angefüllten Häusern, bei der unter diesem Himmelsstriche herrschenden Sonnenhitze zugetragen haben mag, das ist schwerlich mit Worten zu schildern.

Etwas reinlicher und luftiger sind die unmittelbar am Kur belegenen Strassen der Altstadt, denn hier sind teils die Höfe geräumiger, teils auch die Häuser von Gärten umgeben. Da die Ufer des Kur sehr steil sind und die Häuser gewöhnlich dicht am Rande derselben stehen, so befinden sich die Galerieen schon über dem Wasserspiegel und bieten daher an Sommerabenden ziemlich angenehme Kühlungsplätze.

Das Strassenleben der Altstadt gewährt natürlich mehr Eigentümlichkeiten, als der Verkehr auf den Strassen des europäischen Stadtteiles, wo schon Sitte und Tracht des Abendlandes vorherrscht. Wie überall im Oriente wohnt man auch hier mehr draussen als in den Häusern, zumal besonders der ärmere Teil der Bevölkerung seine häuslichen Beschäftigungen unter freiem Himmel verrichtet. Die

Empfohlene Zitierweise:
Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)