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nicht, dir dieses Opfer zu verweigern. Jetzt hält mich nur noch dein Leben, deine Zukunft. Was sollst du allein auf der Erde, armer Ralph? Aber ich werde vielleicht genesen. Ja, Ralph, ich werde das Mögliche tun. Gedulde dich nur noch ein wenig, bald vielleicht werde ich lächeln können; ich will wieder ruhig und heiter werden, um dir dieses Leben zu widmen, das du dem Unglück abgerungen hast.“

„Nein, liebe Freundin,“ erwiderte Ralph, „ich werde ein solches Opfer nie annehmen. Warum solltest du dich an eine verhaßte Zukunft ketten? Nur, um sie mir angenehm zu machen? Glaubst du, ich wäre fähig, sie zu genießen, wenn ich fühle, daß dein Herz keinen Anteil daran nimmt? Nein, bis zu diesem Grade bin ich nicht Egoist. Seit langer Zeit schon bin ich des Lebens überdrüssig, ich habe nicht mehr die Kraft, es ohne Bitterkeit und ohne Gottlosigkeit zu ertragen. Verlassen wir es gemeinsam, Indiana, kehren wir zu Gott zurück, der uns in dieses Land der Prüfung, in dieses Tal der Tränen verbannt hat, aber uns gewiß nicht verstoßen wird, wenn wir wund und zerschlagen seine Gnade, sein Mitleid anflehen. Die Taufe des Unglücks hat unsere Seelen hinreichend geläutert; geben wir sie dem zurück, der sie uns geschenkt hat.“

Dieser Gedanke beschäftigte Ralph und Indiana mehrere Tage und nach Verlauf derselben beschlossen sie, sich gemeinsam den Tod zu geben, es handelte sich jetzt nur noch darum, auf welche Art.

„Das ist eine wichtige Frage,“ sagte Ralph; „doch habe ich schon daran gedacht. Was wir begehen wollen, ist nicht die Eingebung einer augenblicklichen Geistesverwirrung, sondern eine wohlüberlegte Tat. Wir müssen sie mit der Sammlung vollziehen, wie der Katholik die Sakramente begeht. Für uns ist das Weltall der Tempel, wo wir Gott verehren. Hier, in diesem von lasterhaften Menschen wimmelnden Lande, im Schoße dieser Zivilisation, welche Gott leugnet oder ihn verketzert, würde ich mich stets beengt, zerstreut

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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/167&oldid=- (Version vom 1.8.2018)