trügerischen Deklamationen, sie fühlte sich glücklich, sie strahlte von Hoffnung und Freude; sie verzieh alles.
Da erhob sich der Tag sonnig und glänzend, er warf Ströme des Lichtes in das Zimmer und das Geräusch auf der Straße nahm mit jeder Sekunde zu. Raymon warf einen Blick auf die Uhr, welche die siebente Stunde anzeigte.
„Es ist Zeit, zu Ende zu kommen,“ dachte er, jeden Augenblick kann Delmare erscheinen. Ich muß sie zu überreden suchen, gutwillig nach Hause zurückzukehren.“
Er wurde dringender, in seinen Küssen lag fast zorniger Ungestüm. Indiana fühlte sich von Furcht ergriffen. Ein guter Engel breitete seine Flügel über dieses wankende und verirrte Herz. Sie erwachte und wies die Angriffe des selbstsüchtigen und feigen Lüstlings zurück.
„Laß mich,“ sagte sie. „Du brauchst unmöglich neue Beweise meiner Zärtlichkeit, meine Gegenwart hier ist schon ein sehr großer. Aber laß mich die Kraft meines Gewissens bewahren, um gegen die mächtigen Hindernisse zu kämpfen, die uns noch trennen.“
„Wovon sprichst du?“ fragte Raymon, aufgebracht und durch ihren Widerstand erbittert. Alle Besinnung verlierend, stieß er sie roh zurück. Dann ging er mit heftigen Schritten im Zimmer auf und ab, ergriff eine Wasserflasche und stürzte ein großes Glas Wasser hinunter, welches seine Aufregung dämpfte.
„Jetzt, gnädige Frau, ist es Zeit, sich zu entfernen,“ sagte er spöttisch.
Ein Strahl des Lichtes erleuchtete endlich Indiana und zeigte ihr Raymons Charakter unverhüllt.
„Sie haben recht,“ sagte sie und wandte sich der Tür zu.
„Nehmen Sie doch Ihren Mantel und Ihre Boa mit!“ rief er.
„Es ist wahr,“ erwiderte sie, „diese Spuren meiner Gegenwart könnten Sie kompromittieren.“
George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/113&oldid=- (Version vom 31.7.2018)