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Da Lichtenau nicht nachgeben wollte und Sachsen sein altes Recht doch durchzusetzen trachtete, kam es zu wüsten Auftritten im Kirchhof. Beide Kantoren und ihre Schülerchöre sangen zu gleicher Zeit und suchten einander zu überschreien. Leider mischte sich auch der übel berüchtigte Richter von Lichtenau ein und schlug den Lehrer von Sachsen auf dem Kirchhof blutig. Im Jahre 1704 ließ er den Sachsener Kantor durch den Amtsknecht sogar nach Lichtenau schleppen, mißhandelte und beschimpfte ihn und warf ihn ins Gefängnis. Er konnte das damals tun, weil der Pfleger Löffelholz auf einem Kriegszuge abwesend war. Selbstverständlich beschwerte sich die Ansbacher Regierung bei der Stadt Nürnberg und machte Vergleichsvorschläge. Allein Nürnberg wollte nicht nachgeben und erst 1714 ließ sich die Stadt bewegen, auf den Vergleich einzugehen, wonach der Lichtenauer Kantor seine Toten am Grab besingen und das angefangene Lied noch in der Kirche zu Ende singen durfte, im übrigen aber im Gotteshause der Sachsener Kantor den Dienst zu versehen hatte.

 Bei dieser Gelegenheit wurde auch die sogenannte „Abdankung“ abgeschafft, auf die beide Kantoren besonderes Gewicht gelegt hatten. Diese Abdankung bestand in einer oft recht übel angebrachten Lobrede auf den Verstorbenen, auf die der Geistliche keinen Einfluß hatte. Pfarrer Dietrich hatte deshalb schon längst deren Beseitigung beantragt. Die Gemeinde war freilich nicht damit einverstanden, da sie ihre Toten möglichst gelobt sehen wollte. Noch 1740 stellte sie den Antrag auf Wiedereinführung, jedoch ohne Erfolg.

 Ein voller Friede war auch nach dem Vergleich von 1714 noch nicht erzielt, weil immer noch die leidige Gebührenfrage zu allerlei Mißhelligkeiten führte und weil die Lichtenauer je länger je mehr von Sachsen unabhängig sein wollten. Immer lebhafter wurde deshalb in Lichtenau der Wunsch nach einem eigenen Gottesacker. Im Jahre 1788 wurde endlich ein solcher dort angelegt. Am 14. September 1788 wurde die letzte Leiche aus Lichtenau, ein Kind, in Sachsen beerdigt.

 Der tiefere Grund zu allen Kirchhofstreitigkeiten war der, daß Nürnberg das Eigentums- und Verfügungsrecht über den Kirchhof zu Sachsen beanspruchte, während der Markgraf von Ansbach den Kirchhof als Zubehör zur Kirche und damit als sein Rechtsgebiet betrachtete.

 Nachgetragen sei noch, daß einstens vornehme Leichen in der Kirche selbst bestattet wurden. Bei der Beschreibung des Innern in der früheren Kirche wurden bereits zwei Denkmäler solcher Toten hervorgehoben. In den Kirchenbüchern wird noch eine Freiin Anna von Grünthal erwähnt, die am 29. Juni 1681 in der Kirche beigesetzt wurde. Später kamen jedenfalls solche Kirchenbeerdigungen nicht mehr vor.