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9. Die Wolfsplage

 Eine besondere Gefahr lauerte für die Landbevölkerung nach dem Kriege draußen in den Wäldern. Dort hatten sich die Wölfe ungemein vermehrt und bedrohten nun das auf die Weide getriebene Vieh und sogar die Menschen. „Sonderlich zur Winterszeit – wie ein markgräfliches Ausschreiben von 1654 sagt –, da dies Ungeziefer nachts in Dörfern, Weilern, Einöden, Mühlen ihren Unterhalt auf den Gassen oder Miststätten sucht“, wurden diese Tiere sehr gefährlich. Immer wieder ergingen deshalb Anordnungen zur Bekämpfung und Ausrottung dieser Volksplage. Es wurden Streifen durch die Wälder von Jägern und anderen Leuten unternommen; die Regierung setzte hohe Preise aus, anderthalb Taler (nach heutigem Geldwert etwa 20 RM) für einen alten Wolf, einen halben Taler für einen jungen; es wurden da und dort Wolfsgruben angelegt, wie z. B. im Walde zwischen Sachsen und Hirschbronn, wovon noch der Flurname „Wolfsgrube“ Zeugnis gibt. Aber nicht so leicht war diesen lichtscheuen Gesellen beizukommen. Noch bis 1685 machten sie das Land unsicher. Erst in diesem Jahre wurde der letzte Wolf bei uns erlegt, nachdem er zuvor noch viel Unheil angerichtet hatte.

 Es war im Juli dieses Jahres, als der Knabe Michael Zehnder, ein Wirtssohn aus Rutzendorf im Alter von 101/2 Jahren, auf dem Leitenwasen beim Lindach die Pferde hütete. Da fiel ihn plötzlich ein Wolf an, zerriß ihn und fraß ihn fast halb auf. Dann verschwand er wieder. Aber nicht lange danach riß er die schon dreißigjährige Tochter des Maurers von Höfstetten nieder, als sie auf dem Felde mit Sammeln beschäftigt war. Weiter zerfleischte er einem armen Weib zu Deßmannsdorf das Kind. Er trieb sich meist in der Feuchtlach herum, dehnte aber seine Streifzüge bis Oberrammersdorf, Zandt und noch weiter aus. Bei Leidendorf riß er einen Knaben von sechs Jahren „gleich vor seines Vaters Hofrait“ nieder und schleppte ihn weg. Im ganzen hat er vier Kinder umgebracht. Drei Erwachsene wurden von ihm gebissen, konnten aber wieder geheilt werden. Eine Frau aus Volkersdorf wurde von ihm beim Kornschneiden angefallen; er sprang ihr auf die Brust und warf sie zu Boden, doch wehrte sie sich mit ihrer Sichel, bis er von ihr abließ. Er wird geschildert als ein zaundürrer, aber ungewöhnlich großer und grimmiger Wolf. Wahrscheinlich war er schon zu alt, um noch das Wild im Wald oder auf den Feldern erjagen zu können, und der Hunger trieb ihn dazu, sich nun dafür an Menschen zu vergreifen. Über 31/2 Monate trieb er sich in der Gegend umher, bis ihn sein Geschick ereilte. Am 10. Oktober kam er nach Neuses bei Windsbach und lauerte dort auf zwei Knaben, die ihn