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nicht mehr zu baden, die Nacht ruhig im Bette zu bleiben, und wenn er nicht schlafen könne, sich mit Gott zu unterhalten. Er versprach‘s und that es so die folgende Nacht; die Mägde hörten ihn fast die ganze Nacht hindurch beten. –

     Den folgenden Morgen kam er mit vergnügter Miene auf Oberlin‘s Zimmer. Nachdem sie Verschiedenes gesprochen hatten, sagte er mit ausnehmender Freundlichkeit: Liebster Herr Pfarrer, das Frauenzimmer, wovon ich Ihnen sagte, ist gestorben, ja gestorben, der Engel. – „Woher wissen Sie das?“ – Hieroglyphen, Hieroglyphen – und dann zum Himmel geschaut und wieder: ja gestorben – Hieroglyphen. – Es war dann nichts weiter aus ihm zu bringen. Er setzte sich und schrieb einige Briefe, gab sie dann Oberlin mit der Bitte, einige Zeilen dazu zu setzen. Siehe die Briefe.[1]

     Sein Zustand war indessen immer trostloser geworden. Alles, was er an Ruhe aus der Nähe Oberlin‘s und aus der Stille des Thales geschöpft hatte, war weg; die Welt, die er hatte nutzen wollen, hatte einen ungeheuern Riß; er hatte keinen Haß, keine Liebe, keine Hoffnung – eine schreckliche Leere und doch eine folternde Unruhe, sie auszufüllen. Er hatte Nichts. Was er that, that er mit Bewußtsein, und doch zwang ihn ein innerlicher Instinct. Wenn er allein war, war es ihm so entsetzlich einsam, daß er beständig laut mit sich redete, rief, und dann erschrack er wieder, und es war ihm, als hätte eine fremde Stimme mit ihm gesprochen. Im Gespräche stotterte er oft, eine

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Georg Büchner: Lenz. Sauerland, Frankfurt am Main 1879, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georg_B%C3%BCchner_-_Franzos-Werkausgabe_234.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)
  1. Es scheint des Dichters Absicht gewesen zu sein, Original-Briefe von Lenz der Novelle einzufügen. Man vergleiche hierüber den Brief an seine Eltern, Straßburg, October 1835.                K.E.F.