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und eine Anzahl niederländischer Bilder des 17. Jahrhunderts. Vor allem war man vom Anbeginn der neuen Periode auf die Erwerbung von Gemälden moderner deutscher Meister bedacht. Die moderne Abteilung der Galerie, die für das vorliegende Galeriewerk nicht in Betracht kommt, ist namentlich seit den siebziger Jahren unter der Direktion Julius Hübners, des Nachfolgers von Schnorr, und unter dem jetzigen Direktor Karl Wörmann zu einer der vorzüglichsten Sammlungen von Werken der neueren deutschen Malerei herangewachsen.

Der Glanz und Ruhm der dresdner Galerie sind die Meisterwerke der grossen Italiener und Niederländer. Keine andere Galerie der Welt vereinigt in sich einen so strahlenden Reichtum von Werken der italienischen und niederländischen Malerei aus der Zeit ihrer höchsten Blüte. Raffaels Wunderbild der Sistina, die Werke Giorgiones, Tizians, Correggios und Paolo Veroneses, die Rubens, Rembrandts, Ruisdaels und die Juwelen der grossen Kleinmeister der niederländischen Schule des 17. Jahrhunderts – welche Fülle von Werken, die zum vollendetsten gehören, was die Kunst der Malerei überhaupt hervorgebracht hat, in denen die Kunst Italiens in höchster Schönheit und Pracht wetteifert mit der Kraft und dem wundersamen Stimmungszauber der gleich vollendeten nordischen Kunst.

Neben diesen Meisterschöpfungen höchsten Ranges nehmen in der dresdner Galerie besonders die Werke aus der Zeit der Nachblüte der italienischen Malerei einen beträchtlichen Raum ein. In der reichen Vertretung der bologneser Schule, der Carracci, Guercino, Guido Reni und noch späterer Italiener hat die Galerie ein sehr bestimmtes Merkmal der Zeit, in welche die Hauptepoche ihrer Entstehungsgeschichte fiel; es zeigt sich darin die besondere Geschmacksrichtung der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Diese Meister der italienischen Spätzeit, für die man jetzt im allgemeinen sehr wenig Neigung hat, die wir jetzt vielleicht unterschätzen, waren damals hochgepriesen; wie man sich an den Arien der italienischen Oper entzückte, so schwärmte man für die Grazie Guido Renis, den man bisweilen unmittelbar neben Raffael stellte.

Die italienische Malerei vor Raffael war für jene Zeit so gut wie nicht vorhanden, ebenso wenig, wie die niederländische Malerei des 15. Jahrhunderts. Eine Anzahl von Werken des Quattrocento ist, wie bemerkt, erst in den letzten Jahrzehnten für die Galerie erworben worden; nur ganz wenige früh-italienische Bilder, wie die des Fr. Francia, Fr. Cossa und Ercole Roberti, gehören zu dem älteren Bestand der Sammlung. Das einzige bedeutende Werk, das die Galerie aus der niederländischen Schule des 15. Jahrhunderts aufzuweisen hat, ist das Flügel-Altärchen von Jan van Eyck, das sich schon 1765 in ihrem Besitze befand, damals aber unter dem Namen Dürers, auf den man sich zu jener Zeit ebenso wenig verstand, wie auf diese altniederländische Kunst. Auch die ganze altdeutsche Malerei war für die Epoche der beiden Auguste ein tief verschleiertes Gebiet. Unter ihren grossen Erwerbungen glänzt der Name Holbeins völlig einsam.[1]


  1. Der Morette Holbeins kam unter dem Namen Lionardo da Vincis nach Dresden. Ausser der Holbeinschen Madonna wurde von August III noch Holbeins Doppelporträt des Sir Thomas Godsalve und seines Sohnes erworben.
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Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/16&oldid=- (Version vom 26.12.2024)