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beiden Fürsten, unter denen Dresden als Kunststadt die vornehmste Stelle in Deutschland einnahm, die Regierungszeit Augusts des Starken und die seines Nachfolgers bis zum Beginn des siebenjährigen Kriegs (1694–1756). So verhängnisschwer das Regiment beider Fürsten in politischer Hinsicht für Sachsen war, so gehört ihnen doch der Ruhm einer grossartigen Kunstpflege, deren Früchte auch der Nachwelt nicht verloren waren. Das glanzvolle Leben, das sich in jenen genussfrohen Tagen am sächsischen Hofe in den üppigsten Formen, in dem Pomp verschwenderisch prächtiger Feste entfaltete, ging rasch dahin; es nahm mit dem Anfang des siebenjährigen Kriegs ein jähes Ende. Aber die künstlerische Hinterlassenschaft dieser Epoche glänzt in Dresden noch heute in bedeutenden Bauwerken und vor allem in dem Gemäldeschatz voll unvergänglichen Wertes, den jene beiden Fürsten erwarben.

August der Starke (Friedrich August I als Kurfürst von Sachsen, August II als König von Polen) hatte sein Augenmerk von Anfang an besonders auf grosse Bau-Unternehmungen gerichtet. Aber schon zu der Zeit, wo er die neuen Anlagen in dem ehemaligen Alt-Dresden begann und mit dem genialen Pöppelmann den grossartigen Plan der Erweiterung des Schlossbaues beriet, war er auch lebhaft auf Vermehrung der Bildersammlung bedacht. Zunächst wurden wieder zahlreiche Werke niederländischer Meister erworben, darunter zum ersten Male ein Rubenssches Gemälde, Dianas Rückkehr von der Jagd (das Kniestück), dann aber auch bedeutende italienische Bilder. Die lange Reihe jener unsterblichen Schöpfungen, mit denen die Kunst des Südens in der Galerie vertreten ist, eröffnete die damals als ein Werk Tizians berühmte „schlafende Venus“, in der wir jetzt eines der herrlichsten Werke Giorgiones bewundern.

Im Jahre 1722, als die Bilderzahl in der Kunstkammer und in den fürstlichen Schlössern schon eine ansehnliche Höhe erreicht hatte, fasste August der Starke den Plan zur Einrichtung einer selbständigen, von der Kunstkammer abgetrennten Gemäldegalerie, die nur das beste aus seinem Bilderbesitz enthalten sollte. Die Ausführung des Planes lag vornehmlich in der Hand des Hof-Architekten Le Plat; die Galerie erhielt ihren Platz in dem oberen Stockwerk des ehemaligen Reisigenstalles am Jüdenhof. Noch manches bedeutende Werk kam während des folgenden Jahrzehnts, bis zum Tode Augusts des Starken, in die Sammlung. Le Plat, dem die Direktion der neu gegründeten Galerie übertragen wurde, war erfolgreich für ihre Vermehrung tätig. Rembrandt mit der Hochzeit Simsons, Palma Vecchio mit einer heiligen Familie und der ruhenden Venus, Guido Reni, Nicolas Poussin traten jetzt in der Sammlung auf; auch die grandiose Leda nach Michelangelo, wahrscheinlich eine Kopie von Rubens’ Hand, und die schöne Venus mit dem Lautenspieler, die damals für ein Tiziansches Originalwerk galt, gehörten zu diesen späteren Erwerbungen Augusts des Starken.

Unter seinem Sohne und Nachfolger Friedrich August II (August III von Polen) gelangte die Galerie auf den Höhepunkt ihrer Entwicklung; die edelsten Kleinodien der Sammlung, alle die Werke der grossen Blütezeit der italienischen Malerei, an die man zuerst denkt, wenn die dresdner Galerie genannt wird, wurden erst jetzt erworben.

Die Geschichte dieser Erwerbungen enthält ein eigentümliches Stück Kunstleben jener Zeit. Fortwährend setzte der Sammeleifer Augusts III ein grosses, weit verzweigtes Triebwerk in Bewegung. Fast an allen Kunststätten Europas, hauptsächlich in Italien, waren kunstverständige und geschäftskundige

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Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/13&oldid=- (Version vom 26.12.2024)