Seite:Geistliche Oden und Lieder-Gellert.djvu/78

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

     Wie blühte nicht des Jünglings Jugend!
Doch er vergaß den Weg der Tugend;

75
Und seine Kräfte sind verzehrt.

Verwesung schändet sein Gesichte,
Und predigt schrecklich die Geschichte
Der Lüste, die den Leib verheert.

     So rächt die Wollust an den Frechen

80
Früh oder später die Verbrechen,

Und züchtigt dich mit harter Hand.
Ihr Gift wird dein Gewissen quälen;
Sie raubet dir das Licht der Seelen,
Und lohnet dir mit Unverstand.

85
     Sie raubt dem Herzen Muth und Stärke,

Raubt ihm den Eifer edler Werke,
Den Adel, welchen Gott ihm gab;
Und unter deiner Lüste Bürde
Sinkst du von eines Menschen Würde

90
Zur Niedrigkeit des Thiers herab.


     Drum fliehe vor der Wollust Pfade,
Und wach, und rufe Gott um Gnade,
Um Weisheit in Versuchung an.
Erzittre vor dem ersten Schritte;

95
Mit ihm sind schon die andern Tritte

Zu einem nahen Fall gethan.

Empfohlene Zitierweise:
Christian Fürchtegott Gellert: Geistliche Oden und Lieder. in der Weidmannischen Handlung, Leipzig 1757, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geistliche_Oden_und_Lieder-Gellert.djvu/78&oldid=- (Version vom 1.8.2018)