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Die Liebe der Feinde.

Nie will ich dem zu schaden suchen,
     Der mir zu schaden sucht.
Nie will ich meinem Feinde fluchen,
     Wenn er aus Haß mir flucht.

5
Mit Güte will ich ihm begegnen,

     Nicht drohen, wenn er droht.
Wenn er mich schilt, will ich ihn segnen;
     Dieß ist des Herrn Gebot.

Er, der von keiner Sünde wußte,

10
     Vergalt die Schmach mit Huld,

Und litt, so viel er leiden mußte,
     Mit Sanftmuth und Geduld.

Will ich, sein Jünger, wiederschelten,
     Da er nicht wiederschalt?

15
Mit Liebe nicht den Haß vergelten,

     Wie er den Haß vergalt?

Wahr ists, Verleumdung dulden müssen,
     Ist eine schwere Pflicht.
Doch selig, wenn ein gut Gewissen

20
     Zu unsrer Ehre spricht!


Empfohlene Zitierweise:
Christian Fürchtegott Gellert: Geistliche Oden und Lieder. Weidmannische Handlung, Leipzig 1757, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geistliche_Oden_und_Lieder-Gellert.djvu/128&oldid=- (Version vom 1.8.2018)