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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

dich und meine lieben unerzogenen Kinderlein so bald verlassen muß! Das erbarm’ sich der liebe Gott! Dieweil aber diese trübselige Welt also beschaffen und ein wahres Jammerthal ist, muß ich’s dem lieben Gott befehlen, und achte ich mein Leben gar nicht, hab’ auch in so langwieriger Trübsal wohl lernen sterben, daß ich nicht länger mehr begehre auf dieser Welt zu leben, und gedenke kecklich, daß ich nach Gottes Willen ein Kind der ewigen Seligkeit sey; zweifle auch du nicht daran! Ob wir schon auf dieser Welt traurig von einander scheiden, wollen wir doch im himmlischen Leben wieder zusammen kommen, wo Gott der Allmächtige alle Thränen von unsern Augen wischen wird. Da habe denn auch du Hoffnung, Liebe und Vertrauen allezeit auf Gott den Allmächtigen, wie ich denn nie anders bei dir gespürt. Er ist ein Vater aller betrübten Wittwen und Waisen, er wird auch dich nicht verlassen. – Begehrst du auf der Wirthschaft zu bleiben, so bleib nicht ledig, denn es ist dir zu schwer; willst du dich aber verheirathen, so thue die Augen auf und folge gutem Rath; bedenke dich wohl, führe ein gottselig Leben mit den Kindern, halte sie unter der Ruthe und wehre ihnen alles unnütze Geschwätz. Ach! ach! daß ich nicht länger ihr Vater seyn soll! Hab’ ich euch doch so treulich Haus gehalten! Betrübe dich nicht um meine Seligkeit, im ewigen Leben wollen wir wieder zusammen kommen. Laß die Leute reden, was sie wollen, hilf mir mein Kreuz mit Geduld tragen, wie’s unser lieber Gott geschickt hat. Ich freue mich, von dieser argen Welt abzuscheiden und bei meinem lieben Herrn Christus zu seyn im himmlischen Jerusalem, wo all mein Kreuz, Jammer und Trübsal ein Ende nimmt. Es ist ein geringes Leben auf dieser Welt, und wird mit Trübsal erfüllt, doch Alles nach Gottes Willen. Sey getrost, bete fleißig, Gott wird dich mit den Kindern nicht verlassen. Ich habe herzlich gehofft, wieder zu euch zu kommen, aber es hat nicht seyn können; Gott der Allmächtige will’s also haben, o des Jammers!“

„Es reut mich von Grund meines Herzens, daß ich dir, herzliebster Schatz, jemals Leids gethan habe, ich bitte dich um die Liebe Christi, verzeih mir’s. Ach daß ich mein Leben bei dir enden könnte! wollte dir kein böses Wort mehr geben und dich lieber haben als meinen eigenen Leib wegen deiner Frommheit. Bleibe bei deiner Gottesfurcht, wie du allzeit gethan. Verkaufe die Weinberg zum Theil, sey mitleidig mit den Armen, gib nach deinem Vermögen, wie du weißt, daß ich gethan habe. Laß den Kellerknecht die Schulden fleißig einfordern. Bitte den Hrn. Gevatter Fortenbach, daß er bei Sr. Fürstl. Gnaden eine Bitte einlege wegen meiner Strafe (der vom Vermögen der Hingerichteten zu zahlenden Geldstrafe), führe ihm zu Gemüth, daß wir vorhin noch wegen meiner Mutter (die wahrscheinlich auch als Hexe verbrannt worden war) 200 fl. schuldig seyen und verzinsen müssen, daß dir mit den kleinen Kindern Gnade erwiesen würde.“

„Liebes Herz, betrüb’ dich nicht so sehr, thue dein Gebet für meine arme Seele, wie denn du und die Kinderlein allzeit in mein demüthiges Gebet eingeschlossen sind. Laß es also gehen, gedenke, es sey der Wille Gottes, der unsere Traurigkeit wird wieder in Freude verkehren. Halte getreulich über den Kindern, laß sie fleißig in die Schule gehen, laß sie fleißig in der h. Schrift lesen, welche der Anfang ist des ewigen Lebens. Mein Rath ist nicht, daß du ledig bleibst, wegen der Kinder; die Wittwen und Waisen sind bei dieser argen Welt verzagt und unterdrückt. Doch thue, wie dir dein Herz und gute Freunde rathen. Vor allen Dingen suche das Reich Gottes, welches der höchste Schatz ist. Ich gedenke oft an dein Sprichwort, liebster Schatz: „wer zum ewigen Leben ist erkoren, den stechen weder Disteln noch Doren (Dornen).“ – In dem hier beiliegenden Zettel habe ich dir die strittigen Schulden ein wenig aufzeichnen wollen, auf daß du ein wenig Richtigkeit davon hast.“

„Zum Beschluß, herzallerliebster, getreuer Schatz, mein einziges Herz, sey du und meine herzlieben Kinderlein dem allein allmächtigen Gott und Vater aller betrübten Wittwen und Waisen in seinen göttlichen Schutz getreulich befohlen. Setze die Hoffnung stark auf ihn und küsse mir die Kinder alle herzlich von meinetwegen. Daß ich euch nur noch einmal sehen könnte vor meinem Ende! im Himmel, so Gott will, soll und wird’s geschehen. Ach! behüt’ euch Gott vor allem Leid! Wenn ihr mich nicht betrübtet, wie gern wollte ich sterben! Ihr herzliebes Weib und Kinder! Doch kann’s nicht anders seyn, der Tod scheidet Alles. Das noch sey dir befohlen: rede Niemand nichts Böses nach und lasse alle Menschen unausgerichtet; leide dieß auch nicht von den Kindern. Drücke dich mit Geduld in die Furcht Gottes, gedenke daß Alles vergänglich auf dieser Welt und ein wahres Jammerthal sey, welches bald ein Ende wird gewinnen. O selig, der von dieser Welt abgeschieden ist, denn es ist die lezte Zeit! Ich freue mich zu meinem Herrn Christo in’s ewige Leben. Gib den nächsten Freitag vor zwei Gulden Brod den fremden Armen. Beweise mir die lezte Treue mit dem Gebet, das will ich vor dich liebes Herz auch thun.

Thomas Schreiber.“
(Schluss folgt.)
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 1063. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/47&oldid=- (Version vom 1.8.2018)