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eingezeichnet waren. Wir finden, wie die Darstellung auf Ste. 24/25 zeigt, daß List, wenngleich er zuerst für eine Eisenbahn von Leipzig nach Dresden agitirte, mit richtigem Blicke in Berlin den Schwerpunkt des Verkehrs von Deutschland erkannte. Nicht weniger als sechs Eisenbahnlinien läßt er schon damals dort einmünden, die dann, wie auch die anderen von ihm entworfenen Linien, in der Hauptsache bereits nach 15 Jahren ausgebaut waren. Dieser Entwurf liefert den ersichtlichen Beweis, von welch’ erhabenem Standpunkte aus er seine ganze Thätigkeit für die Einführung der Eisenbahnen in Deutschland entwickelte. — Auch den Entwurf zu einem Enteignungsgesetze hatte er beigefügt, welcher nicht ohne Einfluß auf das bereits zwei Jahre darauf erschienene Enteignungsgesetz[1] der sächsischen Regierung geblieben ist. Ferner waren darin verzeichnet die Grundzüge zur Gründung einer Actiengesellschaft und zur Ausgabe von Cassenscheinen, beides Dinge, die ebenfalls baldigst zur Ausführung gelangten.

Mit dieser Schrift gelang es aber List nicht ohne weiteres, sich der allgemeinen Zustimmung zu versichern, sondern er wurde im Gegentheil verschiedentlich angegriffen und sogar lächerlich gemacht, und ein Professor für politische Volkswirthschaft, dem er die Schrift zur Begutachtung zugeschickt hatte, gab die „denkwürdige“ Antwort: es könne noch gar nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, inwieweit das von List vorgeschlagene Unternehmen nützlich und nothwendig sei, man könne nicht wissen, welche Richtung in Zukunft der Waarenzug (?) nehmen werde.

  1. Dieses Gesetz erschien am 3. Juli 1835. So geräuschlos dasselbe seiner Zeit in Wirksamkeit getreten, so ist doch gerade seine Schaffung von höchster grundsätzlicher Bedeutung nicht nur für das beschleunigte Zustandekommen der Leipzig-Dresdner Eisenbahn selbst, sondern auch für dasjenige aller späteren sächsischen und vieler deutschen Eisenbahnen, bei deren Durchführung dasselbe als Muster gedient hat. Die sächsische Regierung war sofort auf das Bereitwilligste darauf eingegangen, ein solches Gesetz zu schaffen und hat damit von vornherein die bestimmte Absicht zu erkennen gegeben, der Einführung der Eisenbahnen die Wege zu ebnen und ihnen staatlichen Schutz und Fürsorge angedeihen zu lassen. — Hätte man sonach das Erscheinen dieses Gesetzes als Anlaß zu einer Jubiläumsfeier betrachten wollen, so wäre nicht der Tag der Betriebseröffnung auf der Theilstrecke Leipzig-Althen (24. April 1837), sondern bereits der genannte 3. Juli 1835 als der geeignetste Ausgangspunkt einer solchen zu bezeichnen gewesen, denn zweifellos ist erst durch das Enteignungsgesetz dem Zustandekommen der Eisenbahnen und insbesondere dem der Leipzig-Dresdner Bahn die erste sichere Grundlage gegeben worden. — Sachsen hätte darnach Anlaß gehabt, am 3. Juli 1885 das erste Eisenbahnjubiläum in Deutschland zu feiern.
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Robert Krause: Friedrich List und die erste große Eisenbahn Deutschlands. Leipzig 1887, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_List_und_die_erste_grosse_Eisenbahn.djvu/15&oldid=- (Version vom 17.8.2016)