Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1 | |
|
Das am 21. Oktober 1878 erlassene Sozialistengesetz hatte bald in jeder Hinsicht böse Folgen gezeitigt. In den südlichen Ländern waren wohl schon vorher anarchistische Strömungen zu beobachten gewesen, sie hatten aber nur geringe Bedeutung gehabt. In Deutschland hatte der Anarchismus bis dahin fast gar keine Stätte. Das Sozialistengesetz hatte aber sehr bald ein starkes Anwachsen des Anarchismus auch in Deutschland zur Folge.
Zu den Hauptführern der Anarchisten in Deutschland zählte der Schriftsetzer August Reinsdorf. Im September 1883 befand sich Reinsdorf, ein mittelgroßer, unverheirateter Mann von etwa 30 Jahren, im städtischen Krankenhaus zu Elberfeld. Es war ihm bekannt, daß am 28. September 1883 in Gegenwart des Kaisers, des Kronprinzen sowie der gesamten anderen deutschen und vieler ausländischer Fürstlichkeiten das Niederwald-Denkmal in feierlichster Weise enthüllt werden sollte. Reinsdorf hatte aus diesem Anlaß einen teuflischen Plan. Er beschied den Schriftsetzer Küchler zu sich ins Krankenhaus und tuschelte ihm folgendes ins Ohr: „Kaufe dir eine Zündschnur und eine Flasche Nitroglyzerin. Damit begibst du dich in Begleitung eines Genossen am 27. September nach dem Niederwald, vergräbst dort in nächster Nähe des Denkmals Flasche nebst
Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1. Continent, Berlin 1908, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Kulturhistorische_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1908).djvu/49&oldid=- (Version vom 31.7.2018)