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Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1

der Wahrspruch der Geschworenen anders ausgefallen wäre.“ –

Im Februar 1884 wurde vor dem Konitzer Schwurgericht nochmals sieben volle Tage verhandelt und sämtliche Angeklagten freigesprochen. Die Verhandlung in Konitz war reich an interessanten Episoden. Eine Zeugin wollte bestimmt kurz vor Ausbruch des Feuers eine „Judenhand“ innerhalb der Synagoge gesehen haben. Ein anderer Zeuge, der wegen vorsätzlicher Brandstiftung und wissentlichen Meineids zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt war, wurde aus dem Zuchthause vorgeführt. – Vorsitzender Landgerichtsrat Arndt (Danzig): „Sind Sie mit einem der Angeklagten verwandt oder verschwägert?“ Zeuge: „Ich bin Christ.“ – Vors.: „Sie können doch trotzdem mit einem der Angeklagten verwandt oder verschwägert sein?“ Zeuge: „Das ist bei mir ausgeschlossen.“ – Lehrer Pieper (Neustettin), der mit einer Anzahl seiner Schüler den angeklagten früheren Synagogendiener Lessheim, kurz vor Ausbruch des Feuers mit einer Petroleumkanne in der Synagoge gesehen haben wollte, fiel, als ihn der Vorsitzende auf einen Widerspruch in seiner Aussage aufmerksam machte und ihm warnend zurief, er solle sich nicht unglücklich machen, in Ohnmacht. Ein dreizehnjähriger Schüler des Lehrers Pieper, namens Ivers, kaufte sich mit noch einigen anderen Schülern in einer Konitzer Destillation eine Flasche Schnaps. Er erhob die Flasche mit den Worten: „Unter diesem Zeichen werden wir siegen, die Juden müssen unterliegen.“

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Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1. Continent, Berlin 1908, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Kulturhistorische_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1908).djvu/48&oldid=- (Version vom 31.7.2018)