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Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1

der Leiche die vermißte Esther Solymosi wieder. Einem alten, unter den ungarischen Flößern verbreiteten Aberglauben entsprechend, begruben die Flößer sofort die Leiche.

Am folgenden Tage kam aber der Untersuchungsrichter Bary mit einer Kommission an den Fundort und ordnete die sofortige Ausgrabung der Leiche an. Bary erklärte: die Leiche sei nicht die der Esther Solymosi, sie habe aber deren Kleider an. Die Juden hätten eben ein zweites Verbrechen begangen. Sie hätten eine zweite, gleichaltrige Frauensperson getötet, dieser die Kleider der Esther angezogen und alsdann ins Wasser geworfen, um den Anschein zu erwecken, daß Esther Solymosi ins Wasser gefallen sei. Bary ließ eine große Anzahl Flößer wegen Verdachts der Beihilfe zum Morde verhaften, die Flößer vermochten aber ihre volle Unschuld nachzuweisen.

Fast ein volles Jahr wurden 72 in Tisza Eszlar verhaftete Juden in Haft behalten. Von diesen wurden 57 wegen Mangels jeden Beweises schließlich aus der Haft entlassen, gegen 15 aber wurde die Anklage wegen Mordes erhoben. Die Verhandlung begann im Mai 1883 vor dem Kreisgericht zu Nyiregyháza. Den Vorsitz im Gerichtshofe führte Gerichtspräsident v. Korniß. Die Anklage vertrat Oberstaatsanwalts-Substitut Szeyfferth (Budapest). Die Verteidigung führten die Rechtsanwälte DDr. Eötvös, Funták, Heumann, Friedmann und Székely.

In der viele Wochen dauernden Verhandlung war der Zuhörerraum täglich von einem antisemitischen Publikum Kopf an Kopf gefüllt, das mit

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Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1. Continent, Berlin 1908, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Kulturhistorische_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1908).djvu/38&oldid=- (Version vom 31.7.2018)