Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1 | |
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Da die emsigen Bemühungen der Polizei erfolglos blieben, fiel der Polizeipräsident beim König in Ungnade; er mußte seine Entlassung einreichen.
Im Januar 1869 wurde am hellichten Tage auf dem Boden eines Hauses am Grünen Weg in der Nähe des Küstriner Bahnhofes ein ganz ähnliches Verbrechen verübt. Der in dem betreffenden Hause wohnende achtjährige Knabe Emil Handtke, der noch kurze Zeit vorher mit anderen Kindern auf der Straße gespielt hatte, war von einem großen Mann auf den Boden geführt, dort mißbraucht und dabei so arg verletzt worden, daß die Aerzte an dem Aufkommen des Kindes zweifelten.
Die Entrüstung über dieses neue Verbrechen war ganz furchtbar. Der Verdacht lenkte sich wiederum auf v. Zastrow. Einmal paßte die Beschreibung jenes Mannes ziemlich genau auf ihn, auch soll er in der Nähe des Küstriner Bahnhofs oftmals gesehen worden sein. Außerdem hatte der Attentäter an der Stätte des Verbrechens seinen Stock stehen lassen. Sowohl v. Zastrows Wirtschafterin als auch ein Drechslermeister, der den Stock einmal repariert hatte, bezeichneten letzteren mit Bestimmtheit als Eigentum des Leutnants a. D. v. Zastrow. Dieser versicherte hoch und teuer seine Unschuld, gab aber schließlich zu, daß der stehengebliebene Stock ihm gehöre, er sei ihm vor längerer Zeit abhanden gekommen. Er könne jedoch unmöglich der Täter sein, denn er sei in der Lage, durch einwandsfreie Zeugen den Nachweis zu führen, daß er am Tage des Verbrechens nachmittags gegen 3 Uhr in einer an der Potsdamer- und Lützowstraßen-Ecke belegenen
Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1. Continent, Berlin 1908, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Kulturhistorische_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1908).djvu/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)