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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8

aber keine Spur einer ernsteren Störung feststellen können. Eine längere Beobachtung des Geisteszustandes hielt Dr. Passauer nicht für geboten.

Der Verteidiger hielt es, angesichts der ganzen Sachlage und mit Rücksicht auf die von dem Angeklagten behaupteten Anfälle, für geboten, noch einen Psychiater mit einer längeren Beobachtung des Angeklagten zu betrauen. – Vors.: Jänicke, trauen Sie sich denn selbst einen unklaren Verstand zu? – Angekl.: Weiter nicht, als daß ich die Geister gesehen habe. – Der als Zeuge vernommene Untersuchungsrichter, Landgerichtsrat Gillischewski bekundete, daß er während der ganzen Dauer der Voruntersuchung keinerlei Bedenken bezüglich der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten gehabt habe. Der Verteidiger stellte den bestimmten Antrag auf psychiatrische Untersuchung des Angeklagten. Der Gerichtshof behielt sich die Beschlußfassung über den Antrag bis nach Schluß der Beweisaufnahme vor.

Gerichtschemiker Dr. Bischoff (Berlin) gab eine Darstellung von der Methode, wie er in der Leiche nach ihrer Exhumierung Strychnin in solcher Menge gefunden habe, daß schon die Hälfte des Quantums tötlich wirken mußte. Er hielt es für möglich, daß nicht das erste Hinfallen der Bergner ihren Tod bedeutet habe, sondern daß dieser erst nach 10 bis 15 Minuten eingetreten sein dürfte. Die von ihm gleichfalls untersuchte Schale hatte ebenfalls Spuren von Strychnin ergeben, aber keine Spuren anderer Zutaten, wie Haidekrautblüten, Fichtennadeln usw.

Als erster Zeuge wurde der zehnjährige Bruno Misch, der bei Jänicke in Pflege war, vernommen. Der Knabe, der ein ziemlich intelligentes Äußere hatte, bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Er sei mehrfach vom Angeklagten zur Bergner geschickt worden, um Geld zu holen, er habe auch solches bekommen. Er sei auch einmal mit bei Just gewesen und habe gesehen, daß dort mit einer Flüssigkeit, die aus einer Flasche gegossen wurde, geräuchert worden

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_8_(1913).djvu/310&oldid=- (Version vom 22.4.2024)