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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7

kann, dann allerdings. — Vors.: Wann haben Sie den Knaben Cybulla zum letzten Male gesehen? — Angekl.: Am Sonnabend vor dem Morde. — Vors.: Sie werden nun beschuldigt, den Knaben Cybulla ermordet zu haben. — Angekl.: Ich sitze hier ganz unschuldig. — Vors.: Sie behaupten also, Ihr Gewissen ist rein, Sie sind nicht der Mörder. — Angekl.: Ich bin unschuldig. — Auf weiteres Befragen des Vorsitzenden erzählte der Angeklagte: Am 21. Januar 1884 fuhr ich mit dem Altsitzer Rzanicki über Land, um ein Rind zu kaufen. Gegen Sonnenuntergang kamen wir nach Skurcz und gingen in das Stenzelsche Gastlokal. Dort tranken wir mehrere Schnäpse und tranken so lange, daß ich betrunken wurde. Ich war schließlich so sehr angetrunken, daß ich meine Besinnung verlor. Ich weiß deshalb nicht, wann wir nach Hause gegangen sind, ich weiß nicht einmal, ob ich mich an jenem Abend beim Schlafengehen selbst entkleidet habe. Rzanicki übernachtete bei mir. Am folgenden Morgen hörte ich von der Auffindung der Leiche des Cybulla. — Vors.: Haben Sie sich die Leiche angesehen ? — Angekl.: Nein, ich kann überhaupt keine Leiche sehen. — Vors.: Sie sollen direkt aufgefordert worden sein, sich auch einmal die Leiche anzusehen? — Angekl.: Das ist richtig, ich bin aber zu weich, ich kann keine Leiche sehen. — Vors.: Es wurde Ihnen noch gesagt: ein Fleischer, der Tiere schlachtet, muß auch menschliche Leichen sehen können? — Angekl.: Ich kann keine Leichen sehen, ich könnte mir nicht einmal die Leichen meiner Kinder ansehen. — Vors.: Nun, Sie sollen einmal jemandem ein großes Schlachtmesser gezeigt und dabei geäußert haben: damit könnte ich mit ruhigem Blute einen Menschen schlachten und sogar sein Blut trinken. — Angekl.: Das ist nicht wahr. — Vors.: Das werden aber hier mehrere Zeugen bekunden! — Angekl.: Wenn ich es gesagt haben sollte, dann kann ich es nur im Scherz gesagt haben. — Vors.: Ein sittlicher Mensch macht derartige Äußerungen auch nicht im Scherz. — Angeklagter

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/80&oldid=- (Version vom 29.3.2023)