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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7

sind und bleiben nach wie vor die verachtete Klasse, sie arbeiten bloß für die oberen Zehntausend. Sie bauen die schönsten Paläste und wohnen in den armseligsten Hütten. Sollen wir uns das noch länger gefallen lassen? Ich sage, wer sich noch länger treten läßt, wer nichts tut, um die bestehenden Zustände zu ändern, der ist kein Mann. (Reinsdorf stampfte hier mit dem Fuße tüchtig auf die Erde.) – Vors.: Ich will Ihnen den größtmöglichsten Spielraum lassen, ich fordere Sie aber auf, etwas ruhiger zu bleiben und nicht mit den Händen oder Füßen aufzuschlagen. – R.: Um eine Änderung dieser Zustände herbeizuführen, hat sich in Deutschland eine sozialdemokratische Partei gebildet. Das kommunistische Manifest sagt: „Die Emanzipation der Arbeiter kann nur durch die Arbeiter selbst geschehen.“ Die sozialdemokratische Partei hat aber längst diesen Grundsatz verlassen, die sogenannte sozialdemokratische Partei hat sich in eine Bourgeoispartei verwandelt. Der Stimmzettel, sagen die sogenannten Sozialdemokraten, ist das Mittel, womit wir kämpfen. Ich sage aber, ob Bebel und Liebknecht in den Reichstag kommen, ist sehr gleichgültig, dadurch können die Zustände nicht besser werden. Wir wollen nicht warten, bis die Zustände auf Grund geschichtlicher Entwicklung besser werden, zumal die Reaktion bemüht ist, die Bestrebungen für Besserung der Verhältnisse soweit wie möglich zu inhibieren. Deshalb hat sich auch in Deutschland eine anarchistische Partei gebildet, die von Worten zur Tat übergehen will. Diese anarchistische Partei ist von den Sozialdemokraten mit allen erdenklichen Mitteln bekämpft worden. Als der arme Hödel in Berlin hingerichtet wurde, der doch immerhin als Mann starb, da waren es gerade die sogenannten Sozialdemokraten, die den Menschen noch nach dem Tode beschimpften. Die Sozialdemokraten bezeichneten sehr bald die Anarchisten als Polizeispione, weil ihnen diese Bewegung unbequem war. Die Sozialdemokraten haben ihre Agitation längst darauf beschränkt, daß eine Anzahl Menschen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/206&oldid=- (Version vom 20.7.2024)