Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7 | |
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der dabei anwesend gewesenen Polizeibeamten gegen mich eingeschritten. Ich teile vollkommen die von Liebknecht über die Beeinflussung des Militärs ausgesprochenen Ansichten. – Vors.: Eine vorhandene Broschüre beweist das Gegenteil. – Angekl. Liebknecht: Die betreffende Broschüre: „Der Militärkatechismus“, welchen diese Anklage trotz der in der Voruntersuchung ermittelten Wahrheit aus dem Aktenwust hervorgezogen hat, ist von Karl Heinzen, einem persönlichen Feinde von Marx, Engels und mir, verfaßt und stammt aus dem Jahre 1848. – Angekl. Bebel: Diese Broschüre ist in Braunschweig in einem einzigen Exemplar gefunden worden. Ich hatte von ihrer Existenz keine Ahnung. – Angekl. Hepner: Mir ist es unbegreiflich, warum die Anklage die Agitation unter der Landbevölkerung herausgreift. Wenn die Agitation unter den Industriearbeitern erlaubt ist, dann ist es auch die unter der Landbevölkerung. – Vors.: Sie werden außerdem beschuldigt, der „Internationale“ angehört und Ihre Partei dieser gefährlichen Gesellschaft zugeführt zu haben? – Angekl. Liebknecht: Wir, ich meine die Mitglieder der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, gehören der „Internationale“ an, aber nur – wie unser Eisenacher Programm besagt – „soweit die deutschen Vereinsgesetze es gestatten.“ Die „Internationale“ ist nicht revolutionär im gewöhnlichen Sinne des Wortes, d. h. sie arbeitet nicht gesetzwidrig auf gewaltsamen Umsturz hin. Namentlich Karl Marx ist von jeher ein Feind jeder kindischen Revolutionsmacherei gewesen und hat dagegen ausgeführt, daß „Revolution“ das fortwährend pulsierende Leben der Gesellschaft ist. Wir wollen revolutionär nur in dem Sinne sein, daß die soziale Frage nicht mit Palliativmitteln, nicht mit Suppenküchen und Konsumvereinen gelöst werden kann, sondern nur durch radikale Heilmittel. Ob diese Lösung friedlich oder gewaltsam, im Wege der Reform oder Revolution stattfinden wird, hängt nicht von uns, sondern von unsern Gegnern ab, den augenblicklich im
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/144&oldid=- (Version vom 14.3.2023)