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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

starker Mann, der hätte uns doch wohl festgehalten. – Nitter sagte hierauf auf Befragen des Vorsitzenden: Im großen und ganzen hat Knitelius den Vorgang richtig geschildert. So drastisch berlinisch habe ich mich aber nicht ausgedrückt. Die Herren werden schon gesehen haben, daß das gar nicht meine Art ist. Ob es möglich gewesen wäre, ohne Schuß zu entkommen, weiß ich nicht. Ich bin jedenfalls der Überzeugung, daß Knitelius nicht die Absicht hatte, den Apotheker zu erschießen. – Vors.: Ist vielleicht vorher verabredet worden, sobald Sie überrascht werden, zu schießen? – Nitter: Ausgeschlossen. Ich will noch bemerken, wenn es sich um einen Einbruchsdiebstahl von Millionen gehandelt hätte, würde ich Knitelius nicht verraten haben. Es handelt sich aber um Menschenleben, da mußte ich schließlich ein offenes Geständnis ablegen. – Fräulein Bethge erklärte auf Befragen des Vorsitzenden: Knitelius war sehr jähzornig, aber eine schlechte Tat, insbesondere einen Mord, hätte sie ihm niemals zugetraut. – In derselben Weise äußerten sich noch mehrere Berliner Juwelenhändler, die seit langer Zeit mit dem Angeklagten bekannt waren. Die meisten dieser Leute schilderten den Angeklagten als sehr gutmütigen Menschen. – Der Gerichtshof beschloß darauf, den Zeugen Nitter nicht zu vereidigen. – Am siebenten Tage der Verhandlung nahm das Wort zur Schuldfrage Staatsanwalt Schütte: Meine Herren Geschwornen! Nach einer langen, anstrengenden Verhandlung stehen wir heute am Ende eines Prozesses, der in der weiten Welt Interesse erregt hat, da er ein Bild vom internationalen Verbrechertum entrollte. Dieser Prozeß hat schließlich zu einem Erfolge geführt, wie ihn niemand geahnt hat. Wir sehen auf der einen Seite einen jungen Mann aus guter Familie, der vollständig unter dem Einfluß eines schweren Verbrechers stand, auf der andern Seite den Angeklagten, der mit seltener Ruhe und Kaltblütigkeit sich verteidigt. Er leugnete alles, er kämpfte um seinen Kopf. Er verließ sich

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/67&oldid=- (Version vom 10.12.2022)