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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

und zum Zwecke der Fälschung gebraucht zu haben, b) durch diese Urkundenfälschung sich oder einem andern einen rechtswidrigen Vermögensvorteil hat verschaffen wollen? – Staatsanwalt Dr. Mannel beschränkte sich in seinem Plädoyer auf eine Schilderung der Tat und beantragte zum Schluß die Bejahung beider Schuldfragen in vollem Umfange. – Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Knoll (Dresden) stellte keine bestimmten Anträge, sondern überließ die Entscheidung dem freien Ermessen der Geschworenen. – Die Angeklagte, der der Vorsitzende zum letzten Male Gelegenheit gab, sich zu äußem‚ erklärte mit leiser Stimme: Ich habe nichts mehr zu sagen. – Nach nur kurzer Beratung bejahten die Geschworenen beide Schuldfragen. – Der Gerichtshof verurteilte darauf die Angeklagte zum Tode und, unter Einrechnung der bereits erkannten Strafe von fünf Jahren Zuchthaus, zu acht Jahren Zuchthaus und zu dauerndem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. – Grete Beier nahm das Urteil ruhig und gefaßt entgegen. Sie sprach noch einige Worte mit ihrem Verteidiger und verabschiedete sich von ihm durch Händedruck. Sie ließ sich darauf widerstandslos zurückführen. – Die Geschworenen unterstützten einstimmig das Begnadigungsgesuch des Verteidigers. Der Schwurgerichtsverhandlung hatten im Auftrage des Sächsischen Justizministeriums ein Geheimer Regierungsrat beigewohnt. Nach dessen zweimaligem Vortrage entschied der König von Sachsen: Er fühle sich nicht veranlaßt, von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch zu machen. Infolgedessen erfolgte am 23. Juli 1908 im Hofe des Freiberger Gerichtsgefängnisses durch den sächsischen Landesscharfrichter Brandt (Hohenlinde bei Oederau) die Hinrichtung der Grete Beier mittels Guillotine. Die Guillotine wurde zwei Tage vor der Hinrichtung von Dresden nach Freiberg geschafft. Grete Beier betrat, geführt von ihrem Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Knoll (Dresden) und dem Gefängnisgeistlichen, Pastor Schmidt (Freiberg), ruhig und gefaßt das Schafott.

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/324&oldid=- (Version vom 31.7.2018)