Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 6 (1912).djvu/310

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

daß dieser Brief mich sehr angenehm berührt hat. Ich war auch gerührt; durch meine Mutter wurde ich jedoch darauf gebracht, daß Preßler den Brief aus Berechnung geschrieben hätte. Ich sollte gerührt werden, um in dieser Rührung mich wieder zu ihm zu schlagen. – In einem Briefe an Merker schrieb Grete Beier, daß sie den Verkehr mit Preßler jetzt anfange von der humoristischen Seite zu nehmen. – In einem anderen Briefe fanden sich Wendungen wie: „Sein Ehrenwort soll man zwar halten, aber in Liebessachen ist das etwas anderes,“ und weiter: „Die Gesetze sind dazu da, um umgangen zu werden, Liebe macht erfinderisch.“ – Von dem Abschiedsbriefe Preßlers an Grete Beier sagte die Angeklagte, daß sogar die Mutter davon gerührt war, sie habe damals wirklich geweint. – Von besonderem Interesse waren die mit „Veroni“ gezeichneten gefälschten Briefe der Beier an Preßler. – Vors.: Die Veronibriefe lassen sich nicht anders erklären, als daß Sie schon bei der Abfassung den Gedanken gehabt haben, Preßler aus dem Wege zu räumen. Wenn die Briefe einen Sinn haben sollten, dann kann es nur der gewesen sein, einen Grund für einen Selbstmord Preßlers zu haben. – Angekl.: Ich hatte bei der Abfassung des ersten Veronibriefes im Februar noch nicht den festen Plan gefaßt, Preßler umzubringen, ich schwankte noch hin und her. – Der Veronibrief, den Grete Beier am Tage vor dem Morde geschrieben und nach vollbrachter Tat auf dem Schreibtische Preßlers niedergelegt hatte, lautete: „Chemnitz, den 12. Mai. Hierdurch teile ich mit, daß ich wieder in Chemnitz eingetroffen bin. Ich habe Deiner armen Braut alles geschrieben, denn ich kann den Betrug nicht länger ansehen. Es ist eine reine Schande, die Frau eines solchen Mannes zu sein. Ein Glück nur, daß es niemand weiß. Du bist doch ein ganz erbärmlicher, feiger Schuft. Wenn Du nicht nach Brand fährst und die Wahrheit sagst, fahre ich hin und erzähle allen Deine Schlechtigkeiten. Ich kenne Deine Braut noch nicht,

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/310&oldid=- (Version vom 31.7.2018)