Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 6 (1912).djvu/305

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

nach Hause. – Vors.: Es soll ein Revolver gewesen sein, den man einem Selbstmörder abgenommen hatte. – Angekl.: Ja. Ob ich den Revolver jemals benutzen würde, wußte ich damals noch nicht. – Vors.: Aber den unbestimmten Gedanken, daß Sie ihn eventuell benutzen könnten, hatten Sie doch? – Angekl.: Ja. Es war in der Karwoche. Preßler kam zu uns, zu Ostern, Merker war nicht da. Letzterer hatte mir geschrieben, er würde nicht eher wieder nach Brand kommen, als bis ich mich von Preßler definitiv losgesagt haben würde. Am dritten Osterfeiertag fuhr ich mit Preßler nach Chemnitz. Bei diesem Besuch setzte ich mich in den Besitz von Cyankali. Preßler wollte seine Spieldose aufziehen und suchte den Schlüssel. Dabei mußte er den Kasten seines Schreibtisches herausziehen, und ich sah ein Fläschchen darin liegen. In dem Augenblick, als Preßler am andern Ende des Zimmers die Spieldose aufzog, nahm ich das Fläschchen an mich. Ich wußte nicht, was es enthielt, aber ich nahm aus dessen Etikett an, daß es Gift war. Zu Hause schlug ich das Lexikon nach und sah, daß Cyankali ein starkes Gift sei. – Vors.: In einem Briefe aus dieser Zeit an Merker befindet sich folgende Stelle: „Nach langem, hartnäckigem Kampfe winkt uns ein süßer Frieden, der Traum des lange ersehnten Glückes nähert sich seiner Erfüllung.“ Der Frieden sollte natürlich mit der Ermordung Preßlers eintreten? – Angekl.: Ja, nach zahllosen Kämpfen winkte die Ruhe. – Vors.: Daneben korrespondierten Sie aber immer noch mit Preßler? – Angeklagte: Selbstverständlich. Er glaubte doch, ich würde ihn heiraten. – Vors.: Sie hatten doch aber schon längst den Plan zu seiner Ermordung gefaßt? – Angekl.: Ich schwankte immer noch, ob ich es tun sollte. – Vors.: Sie schrieben zwar an Merker hoffnungsvoller und liebenswürdiger als an Preßler, aber es finden sich doch auch in den Briefen an Preßler Stellen, die von großer Zuneigung zeigen. – Angekl.: Ja. – Vors.: Sie trieben also ein Doppelspiel

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/305&oldid=- (Version vom 31.7.2018)